von Wladimir Struminski
Wenn alles mit rechten Dingen zugeht, wird Ehud Olmert im Herbst das Ministerpräsidentenamt räumen. Bis heute hat die Polizei in sechs Fällen Ermittlungen gegen den Regierungschef eingeleitet. Die siebte Untersuchung, diesmal wegen einer als Darlehen getarnten Bestechungszahlung, steht wahrscheinlich kurz bevor. Diesem Druck war nicht einmal der notorische Aussitzer Olmert gewachsen, und so willigte er in die Wahl eines neuen Vorsitzenden seiner Kadima-Partei ein. Der Urnengang findet am 17. September statt. Rein rechtlich könnte Olmert zwar auch ohne das höchste Parteiamt Regierungschef bleiben, doch sind sich die Kommentatoren einig: Spätestens nach der Parteiwahl reicht der nach Bürgermeinung korrupteste Politiker des Landes seine Demission ein.
Um Olmerts Nachfolge bewerben sich Außenministerin Zipi Livni, Verkehrsminister Schaul Mofas, Polizeiminister Awi Dichter und Innenminister Meir Schitrit. Dabei ist klar, dass der Politikneuling Dichter und der korrekte, aber uncharismatische Schitrit nicht den Hauch einer Siegeschance haben. Innerhalb des politischen Spektrums steht Livni eher links. Als Chefunterhändlerin für die Friedensgespräche mit den Palästinensern symbolisiert sie territoriale Kompromissbereitschaft. Demgegenüber hat sich Ex-Generalstabschef Mofas als rechter Flügelmann der Partei positioniert und fällt durch markige Sprüche auf. Dem Iran hat er gleich zweimal mit einem Militärangriff gedroht. Die Waffenruhe in Gasa geißelte er als Kapitulation vor der Hamas. Dem Parteivolk scheint das zu gefallen. Innerhalb weniger Wochen konnte der Verkehrsminister seinen anfänglichen Popularitätsrückstand erheblich verkürzen. Jüngsten Umfragen zufolge liegt er bei Kadima-Mitgliedern nur noch um zwei Prozent hinter Livni. So könnte die Parteiwahl nicht nur über die Person des nächsten Regierungschefs, sondern auch über Israels politischen Kurs für die nächsten zwei Jahre entscheiden.
Allerdings nur dann, wenn es dem oder der Neuen gelingt, das brüchige Regierungsbündnis bei der Stange zu halten. Für den Fall eines Livni-Sieges könnte nicht nur die ultraorthodoxe Schas die Koalition verlassen. Auch dem rechten Flügel von Kadima wird ein Frontenwechsel zur Opposition zugetraut. In diesem Falle würde die Regierung ihre parlamentarische Mehrheit von gegenwärtig nur drei der 120 Knessetsitze verlieren. Umgekehrt könnte es Mofas schwerfallen, die Arbeitspartei auf einen stramm rechten Kurs einzuschwören.
Die Krise wirft auch die verfassungsrechtliche Frage auf, wie Israel künftig mit einem durch Skandale und Affären handlungsunfähig gewordenen Ministerpräsidenten umgehen will. Die Abgeordneten Swulun Orlew und Jossi Beilin wollen der Knesset die Möglichkeit geben, einen unter Verdacht stehenden Ministerpräsidenten für fünf Monate in den Zwangsurlaub zu schicken, doch wird auch die umgekehrte Lösung erwogen. Danach soll ein amtierender Ministerpräsident in Zukunft vor strafrechtlicher Verfolgung geschützt werden – wie von Italiens Premier Silvio Berlusconi vorexerziert.