von Eva Schweitzer
Riverdale in der Bronx ist ein grüner Villenvorort, auf einer steinernen Klippe hoch über dem Hudson River gelegen. Hier gibt es Häuser mit Veranden hinter dichten Hecken, aber auch Mietswohnungen, in denen junge Familien wohnen. Berühmte New Yorker wie Bürgermeister Fiorello LaGuardia lebten hier. Ein halbes Dutzend Synagogen hat der Stadtteil, wo auch Kinderbetreuung oder Altennachmittage stattfinden, viele koschere Geschäfte und Restaurants. Für die jüdische Gemeinde von Riverdale, Tausende von Mitgliedern stark, war es ein Schock, als vergangene Woche Polizeiautos mit Blaulicht an der Independence Avenue standen und Bilder ihres Viertels in den Spätnachrichten auftauchten. Vier schwarze, vorbestrafte Männer, die Muslime sein sollen, wollten den liberalen Riverdale Temple und das orthodoxe Riverdale Jewish Center mit Plastiksprengstoff von einem nahe geparkten Auto aus zerstören, außerdem planten sie, ein Militärflugzeug mit einer Stinger-Flugabwehrrakete abzuschießen. »Als ich die Polizei sah, dachte ich an eine Drogenrazzia«, sagte Judith Lewis, die Rabbinerin des Riverdale Temple. »Dann rief eine israelische Zeitung an. Und das Telefon hörte nicht auf zu klingeln.«
Denn am Mittwochabend um neun Uhr hatte die Polizei zugegriffen und die vier Männer James Cromitie, David Williams, Onta Williams und Laguerre Payen aus ihrem Geländewagen heraus verhaftet. Was die nicht wussten: Der Sprengstoff und die Waffen waren unbrauchbar. Sie waren von der amerikanischen Bundespolizei hergestellt worden, geliefert hatte sie ein Informant des FBI aus Pakistan. Nun kommen alle vier vor Gericht, ihnen droht eine lebenslange Haftstrafe wegen Verschwörung zum Gebrauch von Massenvernichtungswaffen.
Klar ist: Die vier schwarzen Männer einte der Hass auf Juden und vermutlich auf alle Weißen. Cromitie zum Beispiel sagte, dass er Juden auf offener Straße in den Kopf schießen und Amerika dafür bestrafen will, dass es Muslime in Afghanistan töte. Doch es gibt viele Widersprüche bei dem angeblich ersten geplanten Terrorakt durch amerikanische Islamisten. So handelt es sich bei den Männern nicht um Araber, wie es zunächst geheißen hat. Und dass die Eltern des Anführers James Cromitie aus Afghanistan stammen, stimmt ebenfalls nicht. Adele Cromitie, die Mutter des Verdächtigen, lebt ebenfalls in der Bronx, im weniger vornehmen Stadtteil Castle Hill. Sie sagte der New York Times, ihr Sohn sei als Christ erzogen worden. Als er ihr erzählt habe, dass er zum Islam übergetreten sei, habe sie ihn hinausgeworfen. Ob David Williams und Onta Williams, die nicht miteinander verwandt sind, tatsächlich zum Islam konvertiert sind, ist unklar. Onta Williams bezeichnet sich als Baptist, der vierte, der Haitianer Laguerre Payen, soll katholisch sein.
Unstrittig aber ist, dass alle eine lange Karriere als Kleinkriminelle hinter sich haben. Cromitie war 27 Mal im Knast, Onta Williams ist kokainsüchtig. Und David Williams, der als äußerst gewalttätig gilt, kaufte eine Pistole von einem Gangboss in Brooklyn. Dass Schwarze im Gefängnis zum Islam konvertieren, ist nicht ungewöhnlich, das so entstandene Zusammengehörigkeitsgefühl ist für sie oft die einzige Möglichkeit, den brutalen amerikanischen Strafvollzug zu überleben (während weiße Kriminelle sich aus ähnlichen Gründen Neonazi-Gangs anschließen).
Die Verteidigung der vier Männer verweist darauf, dass es ja eigentlich der FBI-Informant war, der es ihren Klienten erst ermöglicht hat, die Tat zu planen. Dieser Mann ist Presseberichten zufolge ein Pakistaner namens Shahed Hussain, der sich Maqsood nannte. Er suchte regelmäßig Moscheen auf, saß nach dem Freitagsgebet in seinem Mercedes und sprach junge Männer an, ob die für ihn arbeiten wollten oder Geld brauchten. Aber Maqsood war für die US-Regierung tätig. Der Immigrant, der 1993 in die USA kam, fiel 2002 der Polizei auf, weil er illegal Führerscheine verkaufte. Um der Strafe zu entgehen, versprach er, für das FBI zu arbeiten. Bereits 2004 hatte er, unter der Anleitung seines Führungsoffiziers Agent Coll zwei Muslime in einer Moschee in der New Yorker Hauptstadt Albany angesprochen. Er versprach, ihnen Waffen zu liefern; sie wollten einen pakistanischen Diplomaten umbringen. Die beiden wurden verhaftet und verurteilt.
Danach versuchte es Maqsood bei einer Moschee in Wappingers Falls, aber der Imam warf ihn hinaus. Dann besuchte er die Mashjid-al-Ikhlas-Moschee in Newburgh, 100 Kilometer nördlich von New York, in der auch Cromitie betete. Dem erzählte er, dass er der pakistanischen Terrorgruppe Jaish-e-Mohammed angehöre und Waffen liefern könne. Auch hier wurde der Imam misstrauisch. »Aber man kann sich nicht an die Regierung wenden, wenn man vermutet, dass der Verdächtige für sie arbeitet«, sagte Salahuddin Mustafa Muhammad.
Cromitie jedenfalls schöpfte keinen Verdacht, zumal Maqsood, wie die Freundin von David Williams berichtete, den Männern viel Geld für Geschenke, für Arztrechnungen und sogar die Miete gab. Nach mehreren Treffen, die allesamt von FBI-Mikrofonen und Kameras überwacht wurden, kaufte Cromitie den falschen Sprengstoff und die unbrauchbare Rakete von Maqsood. Da sich die vier klar gewaltwillig gezeigt hätten, könnten sie sich auch nicht darauf berufen, einer Falle aufgesessen zu sein, meinte der Staatsanwalt.
Obwohl die Wurzeln des Falles eher in den nach wie vor brodelnden Rassenkonflikten der USA und im Justizsystem zu suchen sind – die Hälfte aller inhaftierten Männer in den USA ist schwarz –, gibt es dennoch manche, die den vereitelten Anschlag als Indiz für eine islamische Bedrohung der Juden sehen. Steve Pomerantz, FBI-Direktor für Terrorbekämpfung, meinte, Juden wären immer Ziele, und unorganisierte Gruppen seien so gefährlich wie Al Qaida, weil sie schwer zu überwachen sind. Yehudit Barsky vom American Jewish Committee forderte, die Einlieferung religiöser Materialien in Gefängnisse überwachen zu lassen – bisher ist das der Religionsfreiheit wegen untersagt.
Paul Goldenberg, der Direktor des jüdischen Secure Community Network, meinte, den Anschlägen in Riverdale, aber auch anderen wie etwa in Los Angeles oder Seattle, sei gemeinsam, dass die Täter die Synagogen wochenlang ausgekundschaftet hätten. Auch auf die Konservative Synagoge in Riverdale hatten Palästinenser vor neun Jahren einen Anschlag verübt. Hingegen sagte Rabbi Avi Weiss vom Hebrew Institute in Riverdale, man dürfe nicht dem Islam die Schuld geben. Allerdings fragt auch er sich bang, wie viele solcher Terroranschläge geplant seien, ohne dass das FBI das mitbekomme.