von Ingo Way
Nach langem Hin und Her ist nun endlich ein neuer Direktor für das Fritz-Bauer-Institut zur Geschichte und Wirkung des Holocaust in Frankfurt am Main gefunden. Ab dem 1. April 2007 wird der Direktor des Jüdischen Museums in Frankfurt, Raphael Gross, auch das Fritz-Bauer-Institut leiten. Zunächst nur kommissarisch für ein Jahr, vorgesehen ist aber, dass Gross auch die nachfolgenden fünf Jahre dem Institut vorstehen wird. Diese Entscheidung teilte der hessische Wissenschaftsminister Udo Corts (CDU) am Montag vergangener Woche der Öffentlichkeit mit. Das Land Hessen, die Stadt Frankfurt, die Universität, der Förderverein und die Vorsitzende des Überlebendenbeirats, Trude Simonson, hatten sich einstimmig für Gross entschieden.
Der frühere Direktor des Instituts, Pädagogikprofessor Micha Brumlik, war im Oktober 2005 nach fünf Jahren von seinem Posten zurückgetreten. Unter Brumlik lag der Schwerpunkt des Instituts in der Aufarbeitung des Frankfurter Auschwitz-Prozesses. Die Wanderausstellung zum Auschwitz-Prozess, die in Brumliks Amtszeit erstellt wurde, wird vom 10. Mai bis zum 13. Juli 2007 im Justizpalast in München zu sehen sein. Nach dem Ende der Ära Brumlik wurde der pensionierte Kasseler Sozialhistoriker Dietfrid Krause-Vilmar zum Interimsdirektor berufen. Ihm gelang es, das Institut finanziell zu sanieren. Inhaltlich setzte er allerdings keine neuen Akzente.
Schließlich gewann der Münchner Zeithistoriker Dieter Pohl das Ausschreibungsverfahren. Während der Berufungsverhandlungen sagte Pohl allerdings wieder ab. Die Stelle war auf sechs Jahre befristet, Pohl verlangte eine unbefristete Einstellung. Schließlich hätte er dafür seinen sicheren Posten am Münchner Institut für Zeitgeschichte aufgeben müssen, was ihm nicht zumutbar erschien.
Nun also Gross. Als Sohn von Auschwitz-Überlebenden in Zürich aufgewachsen, erwarb er sein Diplom als Historiker in Cambridge und promovierte 1997 in Essen über »Carl Schmitt und die Juden: Eine deutsche Rechtslehre«. Kritiker zeigen sich von Gross’ Ernennung wenig begeistert. Schließlich wäre die Leitung des Fritz-Bauer-Instituts der vierte prominente Posten des Historikers. Neben dem Jüdischen Museum leitet er auch noch das Leo-Baeck-Institut in London zur Erforschung der deutsch-jüdischen Geschichte und die Kommission zur Erforschung der Geschichte der Frankfurter Juden. Dass eine einzelne Person derart viele inhaltlich anspruchsvolle Ämter nicht ausfüllen kann, wissen wohl auch die Verantwortlichen. Normalerweise soll der Direktor des Fritz-Bauer-Instituts gleichzeitig eine Professur an der Frankfurter Goethe-Universität übernehmen. Auf diese Professur wird nun verzichtet, stattdessen werden vier neue Stellen zur Unterstützung Gross’ eingerichtet: zwei wissenschaftliche und zwei Verwaltungsstellen. Wie soll Gross unter diesen Umständen das Institut inhaltlich im Griff haben? Als künftigen Forschungsschwerpunkt nannte Gross jedenfalls die Auseinandersetzung mit der Ethik und den Werten der sogenannten Volksgemeinschaft im Nationalsozialismus und der Analyse von deren Fortwirken in den postfaschistischen Gesellschaften.
Zunächst einmal wird über institutionelle Fragen debattiert. Institut und Jüdisches Museum werden, da ihnen nun die gleiche Person vorsteht, in Zukunft enger zusammenarbeiten. Die Bibliotheken beider Häuser werden zusammengelegt. Das Institut soll in näherer Zukunft in einen noch zu errichtenden Universitäts-Anbau umziehen. Und mit Dan Diner und Peter Steinbach hat der wissenschaftliche Beirat des Instituts immerhin zwei renommierte Historiker hinzugewonnen.