Peter Schlobinski

»Viele wissen gar nicht, was Juden sind«

Herr Schlobinski, bei Jugendlichen gibt es das Schimpfwort »Du Jude«. Wie verbreitet sind antisemitische Beleidigungen?
schlobinski: Mir ist keine Untersuchung zu diesem Thema bekannt. Es gibt nur Einzelbeobachtungen und Medienberichte. Da jede wissenschaftliche Basis fehlt, kann man keine fundierten Aussagen treffen.

Gibt es Erhebungen für andere Länder?
schlobinski: In Frankreich gibt es in den arabisch geprägten Ghettos das Schimpfwort »feuj«, eine Umkehrung von »juif«, Jude. 2002 erschien ein »Weißbuch«, worin über diese antisemitischen Ausdrücke geschrieben wurde. Die Medien berichteten in diesem Zusammenhang, dass Vergleichbares auch in Berlin existiere. Ob das so ist, müsste man prüfen. Die These, bei Jugendlichen gebe es einen antisemitischen Sprachgebrauch, ist so nicht haltbar. Man muss schauen, in welchen Szenen, Gruppen, Cliquen und sozialen Milieus das auftritt. Ich kann mir vorstellen, dass in Berlin in Stadtteilen mit bestimmtem ethnischen und sozialen Hintergrund Beschimpfungen wie »Du Jude« häufiger vorkommen.

Denken Sie nur an migrantische oder auch an rechtsradikale Milieus?
schlobinski: Ich leite das Projekt »Sprache in rechtsextremen Musikszenen«. Die NPD versucht, über Musik Jugendliche als Wähler zu gewinnen, Stichwort: Schulhof-CDs. Wir untersuchen die Texte dieser CDs, und die sind extrem antisemitisch und gewaltverherrlichend. Meine Hypothese: Bei denen, die dafür anfällig sind, werden rechtsradikale Tendenzen verstärkt. Wörter wie »Kanake« oder »Jude« liegen auf einer Ebene mit »Ungeziefer«.

Gibt es ähnliche Tendenzen auch in anderen musikalischen Subkulturen?
schlobinski: Auch im Gangsta-Rap haben wir Gewaltverherrlichung sowie die Stigmatisierung von Frauen und Homosexuellen. Der Hip-Hop ist ja durch die amerikanische Ghetto-Kultur geprägt. Da gibt es das, was man »rituelles Beschimpfen« nennt, verbale Duelle. Das hat in dieser Kultur gar nicht diese harte Dimension, aber wenn man es ins Deutsche übersetzt, hört es sich wahnsinnig brutal an. Wenn 12- oder 14-Jährige »Du Jude« sagen, wissen sie oft gar nicht genau, was Juden sind, das ist für die einfach ein negativer Ausdruck, den man allgemein anwenden kann. Antisemitische Vorurteile werden dadurch trotzdem tradiert.

Mit dem Linguisten an der Universität Hannover sprach Ingo Way.

Gemeinden

Ratsversammlung des Zentralrats der Juden tagt in München

Das oberste Entscheidungsgremium des jüdischen Dachverbands kommt traditionell einmal im Jahr zusammen – am letzten Sonntag im November

 23.11.2024

Berlin

Nan Goldin eröffnet Ausstellung mit Rede über Gaza-Krieg

Die umstrittene Künstlerin nennt Israels Vorgehen »Völkermord« – »propalästinensische« Aktivisten schreien Museumsdirektor nieder

 23.11.2024 Aktualisiert

Erfurt

CDU, BSW und SPD legen in Thüringen Koalitionsvertrag vor

Wegen der Außenpolitik des BSW ist das Bündnis umstritten

 22.11.2024

Debatte

So reagiert die EU auf die Haftbefehle gegen Netanjahu und Gallant

Bei einem Besuch in Jordanien hat sich der EU-Außenbeauftragte Borrell zum Haftbefehl gegen Israels Regierungschef Netanjahu geäußert - mit einer klaren Botschaft

 21.11.2024

USA: »Wir lehnen die Zuständigkeit des Internationalen Strafgerichtshofs für die Situation grundsätzlich ab«

 21.11.2024

Niederlande: Wir würden Netanjahu festnehmen

 21.11.2024

Haftbefehl gegen Netanjahu: Kanada will Gericht folgen

 21.11.2024

Berlin

Scholz soll am Montag als Kanzlerkandidat nominiert werden

Nach dem Verzicht von Verteidigungsminister Boris Pistorius soll Bundeskanzler Olaf Scholz am kommenden Montag vom SPD-Vorstand als Kanzlerkandidat für die Neuwahl des Bundestags nominiert werden

von Michael Fischer  21.11.2024

New York

USA blockieren Gaza-Resolution, Israel bedankt sich

Israels UN-Botschafter Danon: »Resolution war Wegbeschreibung zu mehr Terror und mehr Leid«

 21.11.2024