Frau Knobloch, waren Sie mit den Reaktionen der deutschen Öffentlichkeit nach dem Anschlag auf einen jüdischen Kindergarten in Berlin zufrieden?
knobloch: Hier geht es nicht um meine Zufriedenheit. Vielmehr müssen wir – und damit meine ich die gesamte Gesellschaft – uns darüber klar werden, was ein solcher Angriff über den Zustand eines Landes aussagt. Im konkreten Fall sind die öffentlichen Reaktionen sparsam, ja zurückhaltend gekommen. Ich sehe die Gefahr, dass jene, die die Tat begangen haben, sich durch dieses Schweigen bestätigt fühlen.
Die Solidaritätsbekundungen aus der Politik kamen erst Tage nach dem Anschlag.
knobloch: Es ist nicht effektiv, wenn wir jetzt über Reaktionszeiten debattieren. Das Toleranz- und Solidaritätsgebet (vgl. S. 17), an dem am vergangenen Donnerstag unter anderem Bundesinnenminister Schäuble und Berlins Innensenator Körting teilgenommen haben, ist ein wichtiges Zeichen gewesen. Klar ist jedoch auch, dass deswegen kein Neonazi seine Gesinnung ablegen wird. Hier müssen Politik und Gesellschaft neue Konzepte und Strategien erarbeiten.
Ein Kindergarten wurde angegriffen, aber ein Aufschrei der Gesellschaft war nicht zu vernehmen. Sind Sie enttäuscht?
knobloch: Ich hoffe, dass dies kein Indiz dafür ist, dass die Mehrheit sich inzwischen mit den Nazis arrangiert hat.
Wird die jüdische Gemeinschaft in Deutschland allein gelassen?
knobloch: Das lässt sich pauschal nicht sagen. Die Polizisten, die vor Ort unsere Einrichtungen schützen, machen eine tadellose Arbeit, für die wir dankbar sind. Mit Blick auf die Gesellschaft stelle ich zwei absolut konträre Entwicklungen fest: Da findet sich in der nichtjüdischen Mehrheit zum einen dieses große, ernsthafte Interesse an unserem Glauben und unserer Kultur. Zum anderen aber schweigen viele, wenn jüdisches Leben in seiner Existenz bedroht und angegriffen wird.
Jüdische Familien sind besorgt. Muss beim Schutz jüdischer Einrichtungen in Deutschland nachgebessert werden?
knobloch: Ich plädiere für gewissenhafte Einzelfallentscheidungen. Es muss seitens der Politik alles dafür getan werden, dass jüdisches Leben in Deutschland ohne Angst wachsen kann. Leider sind wir noch weit davon entfernt, dass gelebtes Judentum hierzulande eine Selbstverständlichkeit ist.
Mit der Präsidentin des Zentralrats der Juden sprach Christian Böhme.