Videos gegen das Vergessen
20 Jahre Topographie: jetzt mit Zugang zum »Visual History Archive«
von Sophie Neuberg
Dieses Projekt nennt der Filmregisseur Steven Spielberg sein wichtigstes: 52.000 Interviews mit Überlebenden des Holocaust hat die von ihm gegründete Shoah Foundation durchgeführt. Ihm ging es darum, Erinnerungen von Überlebenden und Zeugen zu bewahren, aber auch der Öffentlichkeit zu Forschungs- und Lehrzwecken zugänglich zu machen. Dieser Schritt wurde jetzt auch in Berlin vollzogen: Nach dem Rechenzentrum der Freien Universität (FU) hat in der vergangenen Woche auch die Stiftung Topographie des Terrors Zugang zum »Visual History Archive« erhalten.
Zwischen 1994 und 1999 wurden die 52.000 Interviews in 56 Ländern und 32 Sprachen von Freiwilligen für die Shoah Foundation durchgeführt. Bis 2005 fand die Katalogisierung und Indexierung der Videos statt – ein enormer Arbeitsaufwand, da insgesamt 120.000 Stunden Material in einminütige Sequenzen aufgeteilt und diese wiederum 50.000 Schlagwörtern zugeordnet wurden. Das Ergebnis ist ein Schatz für Forscher, aber auch für die interessierte Öffentlichkeit. In der Bibliothek der Topographie des Terrors und im FU-Rechenzentrum kann man nun im Archiv nach Personen, Orten oder Begriffen suchen, immer wieder seine Suche einschränken, um so relevante Interviews herauszufiltern. Ist man fündig geworden, kann man die entsprechenden Videos sehen. Das Visual History Archive eröffnet Forschern ganz neue Perspektiven: So ist es möglich, alle Videos nach einem bestimmten Schlagwort zu durchsuchen, und dadurch bislang unbekannte Fakten zu entdecken sowie verschiedene Erzählungen zu vergleichen. Ein Forscher kann beispielsweise nach allen Interviews von in Berlin geborenen, männlichen, jüdischen, nach Sachsenhausen deportierten Überlebenden suchen, oder auch nach allen Interviewstellen, in denen über Sachsenhausen erzählt wird.
Zum zwanzigsten Jubiläum der Ausstellung Topographie des Terrors war Stiftungsdirektor Andreas Nachama stolz, die Zusammenarbeit mit der FU vorzustellen. Sie ermöglicht auch Universitätsfremden in der Bibliothek der Stiftung einen ersten Zugriff auf das Archiv.
Zugleich konnte Nachama am Mittwoch vergangener Woche den Anfang der Bauarbeiten für das neue Ausstellungsgebäude ankündigen. 2010 soll nach vielen Verzögerungen und Rückschlägen die Freiluftausstellung über die zentralen Einrichtungen des nationalsozialistischen Verfolgungsapparates endlich in ein festes Gebäude einziehen. In diesen Tagen besteht die letzte Chance, die seit 2005 ebenfalls unter freiem Himmel gezeigte Ausstellung über das »Hausgefängnis« der Gestapo zu sehen, da sie jeden Moment den Bauarbeiten wird weichen müssen. Durch die Unterstützung des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit ist übrigens die Finanzierung der Topographie des Terrors mit einem Etat von 1,6 Millionen Euro pro Jahr dauerhaft gesichert.