Steve Duenkel ist ein Republikaner in Mason County im US-Bundesstaat Washington. Er kandidiert für das Amt des Auditors, der die Wahlen in diesem Bezirk mit seinen 66 000 Einwohnern beaufsichtigt - einen Posten, den bislang ein Demokrat, Paddy McGuire, innehatte. Dass Duenkel ihn nun bei den örtlichen Wahlen am 8. November, die zusammen mit den US-Kongresswahlen stattfinden, herausfordert, wäre an sich nicht bemerkenswert. Nur: Dieser Konservative zählt zu den Wahl-Verschwörungstheoretikern im Land, sät Zweifel daran, dass es bei den bevorstehenden Wahlen mit rechten Dingen zugehen wird.
Nun will er ausgerechnet den Job, der ihn zuständig für den Wahlablauf machen würde, mit der Möglichkeit, Wahlergebnisse in Frage zu stellen, auch wenn es nichts in Frage zu stellen gibt. Bei einer jüngsten Wahlveranstaltung mit Bürgern in einem Gemeindezentrum in Shelton, an der auch der Demokrat McGuire teilnahm, wurde offensichtlich, wo Duenkel steht. Er sagte Wählern, dass Briefwahlen, die im Bundesstaat Washington seit Jahrzehnten genutzt werden, grundsätzlich riskant seien - und dass man nicht sicher sein könne, wer die Wahl im nächsten Monat wirklich gewinnt, wenn die Ergebnisse nicht zusätzlich überprüft würden.
McGuire kann es nicht fassen. Er wollte eigentlich in den Ruhestand, nicht wieder kandidieren, aber tritt erneut an, weil er Duenkel unbedingt als Nachfolger verhindern will. Er sieht in ihm eine Gefahr für die Demokratie. »Es ist einfach schwer für mich als jemanden, der mit dem Glauben an die demokratischen Werte aufgewachsen ist, (zu erleben), dass mich jemand herausfordert, der nicht glaubt, dass unsere Wahlen hier - örtlich oder national - frei und fair sind«, sagt McGuire. Und das ausgerechnet in Mason County, wo Duenkels Partei bei weitem mehr Wahlen gewonnen habe als die Demokraten.
Wahl-Verschwörungstheoretiker wie Duenkel kandidieren für den Kongress, für die Position des Gouverneurs oder des Secretary of State, was in US-Bundesstaaten etwa einem Innenminister entspricht. Aber eine unbekannte Zahl bewirbt sich auch für eine der US-weit schätzungsweise 10 000 Posten von leitenden Beamten, die für den Vollzug von örtlichen Wahlen zuständig sind und die Leute überwachen, die Wahlzettel ausgeben, Stimmen auszählen und Ergebnisse vermelden.
Das macht die Wahlabläufe verwundbar, aber die Gefahren seien schwerer auszumachen, sagt die demokratische Strategin Amanda Litman, deren Gruppe Run for Something (Bewirb dich um etwas) Millionen Dollar investiert, um Demokraten in örtlichen Wahlämtern zu unterstützen. »Sie können aus jeder Richtung, aus jedem Bundesstaat kommen.«
Verschwörungstheoretiker, die die Lügen des früheren Präsidenten Donald Trump über die Wahl 2020 übernommen haben und weiter verbreiten, sind bereits in manchen lokalen Wahlbehörden präsent. Das prominenteste Beispiel ist Mesa County in Colorado, wo eine republikanische Beamtin im Zusammenhang mit dem Herunterladen von Wahlautomaten-Daten, die später auf Webseiten mit Wahl-Verschwörungstheorien auftauchten, angeklagt wurde. Duenkel hat ein örtliches Screening eines Films gesponsert, der von Trump-Unterstützern produziert wurde und die Frau als eine Heldin porträtiert.
McGuire hat reiche Erfahrung in Sachen Wahlorganisation. Er war früher stellvertretender Secretary of State in Oregon, und dieser Bundesstaat wurde mit seiner Hilfe zum ersten in den USA, der jedem Wähler automatisch per Post einen Stimmzettel zur Briefwahl zuschickt. Danach war er an der Abwicklung des Briefwahl-Programmes des US-Verteidigungsministeriums für im Ausland stationierte Soldaten beteiligt.
2018 kandidierte er für den Auditor-Posten in Mason County und gewann ohne nennenswerte Kontroversen. Dann kamen die Corona-Pandemie und Trumps Kampagne für eine Wiederwahl, in der dieser praktisch vorausgreifend für den Fall seiner Niederlage Zweifel an der Zuverlässigkeit der Wahlergebnisse verbreitete. McGuire begrenzte mit Hinweis auf die Pandemie die Zahl von Beobachtern bei der Stimmauszählung in seinem Bezirk und sorgte für einen Videofeed, so dass Leute von fern zusehen konnten. Aber das stellte seine Kritiker nicht zufrieden.
Dazu zählt Lindy Martinez, eine Ruheständlerin, die durch McGuires Vorgehen ihr Wahlrecht verletzt sah. Sie schloss sich einer von Duenkel geführten Gruppe an, die auf der Suche nach möglichen Fällen von Wahlbetrug an örtliche Türen klopfte - und dann behauptete, Hunderte »Abweichungen« entdeckt zu haben. McGuire sagte, dass die große Mehrheit der Fälle seinem Amt bekannt oder schlicht Versehen seien. Ein Fernsehsender nahm die Schritte der Gruppe unter die Lupe und fand zahlreiche Fehler in deren Bericht.
Dennoch wurde McGuire bei der jüngsten Wahlveranstaltung in Mason County mit Fragen bombardiert, und in manchen spiegelte sich die Paranoia der vergangenen zwei Jahre über die Präsidentenwahl 2020 wider. Sind da illegale Immigranten auf den Wählerlisten des Bezirkes? Welche Überwachungsmaßnahmen gibt es, um zu garantieren, dass die Einwurfboxen, in denen man ausgefüllte Briefwahl-Stimmzettel deponieren kann, sicher sind? Hat er, McGuire, widerrechtlich Wahldaten gelöscht?
Draußen, vor dem Gemeindezentrum, äußert die 51-jährige Barbara Weingarden, die sich selbst als politisch parteiunabhängig bezeichnet, Verwirrung über Duenkels Andeutungen in Sachen Wahlbetrug. Das müsse er sich irgendwo anders, in einer großen Stadt, angeeignet haben, meint sie und fügt hinzu, dass es hier, in ihrem Bezirk, keinen Betrug gebe: »Wir sind eine kleine Gemeinde.« ap