von Gil Yaron
Muhammad war einfach nur ein bärtiger Taxifahrer in Bethlehem, doch sein islamisches Aussehen wurde ihm zum Verhängnis. Mitglieder der Sicherheitsdienste der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) verdächtigten ihn, Mitglied der Hamas zu sein, warfen ihn für mehrere Tage ins Gefängnis und folterten ihn. »Was ihm angetan wurde, sagt er nicht. Aber seit er mitten in der Nacht verdreckt und gebeugt in unser Haus schlurfte, ist er nicht mehr derselbe Mensch«, sagt seine Cousine.
Wie ein neuer Bericht der Menschenrechtsorganisation Amnesty International darlegt, ist Muhammad nur eines von vielen Opfern willkürlicher Gewalt durch Hamas und Fatah. In einem der schärfsten Berichte der Organisation malt Amnesty ein düsteres Bild von der Lage in den palästinensischen Gebieten, die vom Bruderkampf zwischen der islamistischen Hamas und der eher weltlichen Fatah gespalten sind. Dem Machtkampf der größten palästinensischen Organisationen, der im Juni dieses Jahres mit dem Putsch der Hamas im Gasastreifen seinen Höhepunkt erreichte, sind allein im Jahr 2007 mindestens 318 Menschen zum Opfer gefallen.
Amnesty beschreibt »rücksichtslose Schusswechsel in Wohngebieten«. Widersacher würden in Krankenhausbetten erschossen. Seit Juni haben die Exekutivkräfte der Hamas mehr als 1.000 mutmaßliche Fatah-Anhänger verhaftet. »Folter und Miss- handlungen sind üblich, Häftlinge werden routinemäßig geschlagen«, berichtet Amnesty in dem 58 Seiten langen Bericht. Die Hamas »bedient sich der Gewalt, um friedliche Demonstrationen aufzulösen, willkürliche Verhaftungen vorzunehmen«, und die Presse mundtot zu machen. »Es ist klar, dass die Verbrecher unbelangt bleiben und die Hamasführung nicht willens ist, die Täter zur Verantwortung zu ziehen«, klagt Amnesty.
Die Lage im Westjordanland, das weiterhin von der Fatah regiert wird, ist um keinen Deut besser. Unter der Herrschaft des als »friedliebend« beschriebenen Präsidenten Mahmud Abbas wurden hier rund 1.000 Hamasanhänger festgenommen, ohne dass Anklage erhoben wurde. Einrichtungen der Hamas wurden verbrannt, Privatbesitz von Parteimitgliedern zerstört, ihre politischen Vertreter auf offener Straße entführt, bedroht und sogar ermordet. Auch hier agieren die Täter laut Amnesty »völlig ungestraft«. Hamas und Fatah glichen sich »in ihrem fehlenden Respekt vor den Menschenrechten und dem fehlenden Willen seitens der politischen Führung, Rechtsstaatlichkeit durchzusetzen«.
Doch die Kritik geht noch weiter, kritisiert Amnesty doch die jahrelange Passivität der PA bei der Bekämpfung des Terrors gegen israelische Zivilisten: »Die Kam- pagne der PA gegen Hamas-Aktivisten zeigt, dass sie handeln kann, wenn sie es für nötig hält.« Jahrelang hat die PA die israelische Besatzung als Grund angegeben, warum sie den Terror nicht effektiv bekämpfen kann. »Unsere Organisation glaubt, dass die PA diese Einschränkungen zu oft als Ausrede für den fehlenden politischen Willen genutzt hat, die bewaffneten Gruppen zu bekämpfen, die für Verbrechen gegen Palästinenser, Israelis oder Ausländer verantwort- lich sind«, lautet das Fazit von Amnesty.