Zahlreiche Verbände haben sich zustimmend zu einem gemeinsamen Antrag von FDP, Linken und Grünen im Bundestag geäußert, der eine bessere Alterssicherung jüdischer Kontingentflüchtlinge vorsieht. Der zuständige Ausschuss für Arbeit und Soziales hielt am Montagnachmittag eine Expertenanhörung zu dem Thema ab.
LEBENSLAGE In ihren Stellungnahmen befürworteten unter anderem der Sozialverband VdK sowie der Zentralrat der Juden in Deutschland das Anliegen. Letzterer kritisierte in seiner Stellungnahme jedoch, dass ein Angleichen von jüdischen Kontingentflüchtlingen mit Spätaussiedlern im sogenannten Fremdrentengesetz die finanzielle Lage der Betroffenen kaum verbessern würde. Entscheidend sei deshalb eine gute Härtefallregelung.
Der Zentralrat der Juden in Deutschland sowie die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden (ZWST) diesen Punkt in dem interfraktionellen Vorschlag. Der Härtefallfonds müsse jedoch so ausgestaltet sein, dass er »der Lebenslage der Betroffenen angemessen« sei, schrieb der Dachverband. Für tausende jüdische Zuwanderer aus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion gebe es bislang keine würdige und angemessene Altersvorsorge, erklärte der Zentralrat. Die Regierungsparteien CDU/CSU und SPD hätten in ihrem Koalitionsvertrag 2018 zugesichert, eine Lösung in Form einer Fondslösung zu suchen. Dies sei aber bislang nicht geschehen.
Zentralrat und ZWST sehen eine Gleichsetzung der Kontingentflüchtlinge mit deutschen Spätaussiedlern kritisch. Eine Änderung des Fremdrentengesetzes, würde die Mehrheit der jüdischen Zuwanderer dennoch in der Grundsicherung belassen, da sie bei einer Einreise nach Deutschland nach Mai 1996 nur noch wenige Rentenpunkte nach diesem Gesetz erhalten..
VERJÜNGUNG Auf die Frage, warum die sogenannten Kontigentflüchtlinge aus der ehemaligen Sowjetunion anders als andere Zuwanderer nach Deutschland behandelt werden sollten, nannte Zentralratspräsident Josef Schuster in der Anhörung zwei Gründe: Zum einen sei es um Menschen gegangen, die antisemitischen Anfeindungen ausgesetzt gewesen seien. Zum anderen haben man bewusst auch die überalterte jüdische Gemeinschaft in Deutschland verjüngen wollen. Ende der 1980er Jahre habe es in Deutschland weniger als 30.000 Juden hierzulande gegebenen. »Ohne die Zuwanderer wäre in vielen jüdischen Gemeinden das Licht ausgegangen«, betonte Schuster.
Weiter sagte der Zentralratspräsident: »Die Zuwanderer haben dies auch eine Einladung der Bundesrepublik empfunden.« Unter Berücksichtigung der deutschen Geschichte sei dies keineswegs selbstverständlich gewesen. Der direkte Vergleich mit den »Boat People« oder mit Flüchtlingen aus Syrern, den ein Abgeordneter in der Anhörung zog, gebe die historische Situation nicht eins zu eins wieder, so Schuster.
Schuster forderte eine schnelle Lösung. »Die betroffenen Menschen befinden sich in hohem Alter. Das jahrelange Hinauszögern einer Lösung von Seiten der Regierungskoalition empfinden wir als zynisch. Es ist überfällig, dass jetzt wenigstens für die Härtefälle ein Fonds aufgelegt wird. Eine einmalige Anerkennungsleistung in Höhe von 10.000 Euro würde der Leistung, die die Betroffenen in ihrer Erwerbszeit erbracht haben, gerecht. 30 Jahre nach Beginn der jüdischen Zuwanderung nach Deutschland duldet die Einrichtung des Härtefallfonds keinen weiteren Aufschub«, sagte er.
Auch der vom Ausschuss als Experte geladene Volker Beck befürchtet, dass durch eine Gleichstellung im Gesetz nur bei einem Teil der Betroffenen eine Altersarmut vermieden werden könne. Der ehemalige Grünen-Bundestagsabgeordnete betonte in der Anhörung die rechtliche Gleichstellung jüdischer Zuwanderer mit Spätaussiedlern.
FONDS Zu möglichen Einmalzahlungen äußerte Beck sich kritisch: Sie seien keine Alternative zu einem Aufschlag auf die monatliche Rentenzahlung. Das Argument, die Aufnahme der jüdischen Zuwanderer in die Regelung für Spätaussiedler könne als Berufungsgrund für andere Zuwanderergruppen dienen, wies Beck zurück.
Seit 1991 wurden rund 220.000 jüdische Einwanderer sowie ihre Angehörigen aus Nachfolgestaaten der früheren Sowjetunion in Deutschland aufgenommen. Anders als Spätaussiedler können jüdische Zuwanderer jedoch ihre in den Herkunftsländern geleisteten Berufsjahre für die Rente bislang nicht anrechnen lassen. Dem Zentralrat der Juden zufolge ist rund ein Drittel der Kontingentflüchtlinge daher auf Grundsicherung im Alter angewiesen.
In ihrem Antrag fordern FDP, Linke und Grüne einen Härtefallfonds für jüdische Zuwanderer und Spätaussiedler, Sozialversicherungsabkommen mit den Nachfolgestaaten der Sowjetunion und eine Gleichstellung jüdischer Kontingentflüchtlinge mit Spätaussiedlern im Fremdrentengesetz. Auch der Bundesrat hatte sich zuvor bereits für eine bessere Alterssicherung für jüdische Kontingentflüchtlinge ausgesprochen. mth/kna