von Christian Böhme
Frieden schaffen ohne Waffen. Mit diesem eingängigen Slogan protestieren am 10. Oktober 1981 etwa 250.000 Menschen im Bonner Hofgarten gegen den Nato-Doppelbeschluss und für die atomare Abrüstung der beiden Supermächte USA und UdSSR. Deutschland zeigt sich pazifistisch. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Das »Nie wieder« nach dem Zweiten Weltkrieg geht für die große Mehrheit der Deutschen zwingend damit einher, militärische Gewalt generell erst einmal abzulehnen. Doch was ist eine »angemessene« Reaktion der Völkergemeinschaft, wenn zum Beispiel ein Staat (Iran) einem anderen (Israel) mit dessen Vernichtung droht? Verhandeln oder handeln? Erst verhandeln, dann handeln?
Teherans atomare Ambitionen und wie man auf sie reagieren sollte – das Thema beschäftigte auch die Teilnehmer des Deutsch-Jüdischen Dialogs, zu dem die Bertelsmann-Stiftung am Montag und Dienstag nach Berlin eingeladen hatte. Dass der Iran eine Bedrohung für die Region und den Westen ist, stand für die Politiker, Journalisten und Wissenschaftler außer Frage. Aber für viele war es ebenso klar, dass es darauf bislang nur eine Antwort geben kann: Diplomatie.
Der SPD-Vorsitzende Kurt Beck gab die Richtung vor. Er betonte, wie wichtig das gemeinsame Handeln und die entschlossene Haltung der Weltgemeinschaft sei. Einer militärischen Option erteilte Beck eine unmissverständliche Absage: »Waffengewalt ist keine Lösung.« Ein solches Vorgehen sei nur in einer Notwehrsituation denkbar. Vielmehr drohe nach einem Militärschlag ein Flächenbrand unvorstellbaren Ausmaßes im Nahen und Mittleren Osten. Selbst der ehemalige Nato-General Klaus Naumann mahnte, auf jeden Fall jede Gesprächschance zu nutzen. Der Konflikt zwischen Pakistan und Indien zeige, dass Reden durchaus etwas bewirken könne.
Diejenigen, die sich für eine etwas härtere Gangart gegenüber Teheran aussprachen, blieben bei dieser Diskussion eine Minderheit. Charlotte Knobloch, Präsidentin des Zentralrats der Juden, fragte fast schon rhetorisch, ob die Holocaust-Leugnung durch den Iran wirklich ausreichend zurückgewiesen werde. Und Israels Botschafter Shimon Stein plädierte engagiert dafür, Teheran vor Augen zu führen, dass alle Optionen, also auch militärische, denkbar seien, wenn die Führung ihre atomaren Pläne weiterverfolge.
Dass Juden und Nichtjuden unterschiedlich auf die Bedrohung durch den Iran zu reagieren bereit sind, zeigt auch eine aktuelle Drei-Länder-Studie, die die Bertelsmann-Stiftung bei TNS Emnid in Auftrag gegeben hatte. Eine Mehrheit der Deutschen ist davon überzeugt, dass Teherans Atomprogramm Israels Existenz gefährdet. Das sehen amerikanische Juden und Israelis genauso. Ganz anders als die Deutschen beantworten sie die Frage nach einem Militärschlag gegen den Iran. 80 Prozent der Israelis und 72 Prozent der US-Juden halten einen solchen Schritt für gerechtfertigt. 60 Prozent der Deutschen lehnen ihn ab. Lieber ohne Waffen Frieden schaffen.