Im Nahen Osten droht sich die hochbrisante Lage zu verschärfen. Während die US-Regierung nach einem tödlichen Angriff proiranischer Milizen auf US-Soldaten in Jordanien Vergeltung ankündigte, plant der Verbündete Israel im Gazastreifen einem Medienbericht zufolge einen als äußerst heikel geltenden Armeeeinsatz im südlichsten Teil des abgeriegelten Küstengebiets.
Dort haben Hunderttausende palästinensische Zivilisten Schutz vor den Kämpfen gesucht und sind auf Hilfe angewiesen. Das umstrittene UN-Hilfswerk für palästinensische Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) muss seine gesamte Arbeit nach eigenen Angaben womöglich schon in vier Wochen einstellen, wenn zugesagte Gelder nicht bezahlt werden. Hintergrund ist die Teilnahme von UNRWA-Mitarbeitern an der Terrorattacke vom 7. Oktober 2023.
US-Verteidigungsminister Lloyd Austin sprach nach dem Tod von zwei Soldatinnen und einem Soldaten in Jordanien am Donnerstag von einem »gefährlichen Moment«. US-Präsident Joe Biden werde Angriffe auf amerikanische Truppen »nicht dulden, und ich werde das auch nicht tun«. Man wolle zwar einen größeren Konflikt in der Region vermeiden. Die Verantwortlichen der Angriffe werde man aber zur Rechenschaft ziehen, sagte Austin. Er kündigte eine mehrstufige Reaktion an.
Kein Krieg mit Iran
Die US-Regierung machte die Gruppe »Islamischer Widerstand im Irak« für den Anschlag verantwortlich, die sich zuvor auch dazu bekannt hatte. Es handelt sich um eine Art Dachgruppe für proiranische Milizen im Irak, die seit dem 7. Oktober gemeinsam unter diesem Namen auftreten. Es sei offen, wie viel der Iran zuvor über den Angriff gewusst habe, sagte Austin.
Der Iran finanziere aber diese Gruppen und bilde sie auch teilweise aus. Ohne diese Art der Unterstützung würde es derartige Angriffe auf US-Stützpunkte nicht geben, sagte Austin. Er machte aber klar: »Wir befinden uns nicht im Krieg mit dem Iran.«
Im Krieg gegen den palästinensischen Terror beabsichtigt die israelische Armee laut Berichten in israelischen Medien, ihre Kämpfe gegen die Hamas auf Rafah im südlichsten Teil des Gebiets auszuweiten. Das Militär werde auch die Hamas-Brigade in Rafah erreichen und zerschlagen, so wie derzeit mit den Hamas-Bataillonen im Gebiet der südlichen Stadt Chan Junis verfahren werde, erklärte Verteidigungsminister Yoav Galant.
Operation in Rafah?
In Rafah und Umgebung sollen sich inzwischen mehr als 1,3 Millionen Menschen aufhalten. Das ist mehr als die Hälfte der insgesamt rund 2,2 Millionen Einwohner des Gazastreifens. Die palästinensischen Zivilisten suchen dort auf äußerst engem Raum Schutz vor dem von ihrer Terror-Führung begonnenen Krieg.
Fast vier Monate nach dem Überfall der Hamas auf den Süden Israels ist Israels Armee tief in den Gazastreifen eingerückt, um die Hamas zu zerschlagen. Der Schutz der israelischen Bevölkerung und die Befreiung der weiterhin von den Terroristen gehaltenen Geiseln sind die Prioritäten. Allerdings schützen die Streitkräfte auch die Bewohner Gazas so gut es geht. Fluchtrouten sowie Warnungen per Telefon, SMS und abgeworfenen Flugblättern gehören zu den Maßnahmen.
Das südliche Ende des abgeriegelten Küstengebiets, das mit der geteilten Stadt Rafah und dem gleichnamigen Grenzübergang an Ägypten grenzt, ist aber bislang außer Reichweite der Bodentruppen. Das »Wall Street Journal« hatte vor drei Wochen unter Berufung auf namentlich nicht genannte israelische und ägyptische Quellen berichtet, israelische Offizielle hätten Ägypten über eine geplante Militäroperation entlang der Gaza-Seite der Grenze informiert.
Ununterbrochene Bereitstellung
Austin und Galant sprachen am Donnerstag über Israels Übergang von den bislang massiven Bombardierungen im Gazastreifen hin zu Einsätzen mit geringerer Intensität, wie das Pentagon in Arlington (Virginia) mitteilte. Dies fordern die USA seit Längerem. Austin habe dabei bekräftigt, wie wichtig es sei, eine ununterbrochene Bereitstellung humanitärer Hilfe für das Küstengebiet zu gewährleisten.
Auch hätten sich beide Verteidigungsminister über die Unterstützung für eine diplomatische Lösung an der israelisch-libanesischen Grenze sowie Stabilität im Westjordanland ausgetauscht, hieß es. Zwischen der vom Iran unterstützten libanesischen Hisbollah-Miliz und der israelischen Armee kommt es im Grenzgebiet beider Länder immer wieder zu gewaltsamen Auseinandersetzungen.
In Bezug auf die Anschuldigungen gegen einzelne Mitarbeiter des UN-Hilfswerks UNRWA, an den Terrorakten der Hamas vom 7. Oktober in Israel beteiligt gewesen zu sein, sagte Galant am Donnerstag zu einer UN-Delegation: »Gelder aus Ländern der ganzen Welt wurden über UNRWA geleitet und zur Stärkung der Terrorinfrastruktur und zur Bezahlung von Terroristen verwendet.« Die Organisation habe ihre Legitimität verloren.
Sanktionen gegen Siedler
Mehrere westliche Länder wie Deutschland und die USA haben wegen der Anschuldigungen vorübergehend die Zahlungen an UNRWA eingestellt. »Es ist schwer sich vorzustellen, dass die Menschen im Gazastreifen diese Krise ohne UNRWA überleben«, warnte UNRWA-Chef Philippe Lazzarini. Sollte die Finanzierung nicht wieder aufgenommen werden, werde man höchstwahrscheinlich gezwungen sein, die Arbeit nicht nur in Gaza, sondern auch in der gesamten Region Ende Februar einzustellen.
Lazzarini hatte auf frühere Berichte über UNRWA-Lehrer, die den palästinensischen Terror unterstützten, stets abweisend reagiert und die Whistleblower - darunter die NGO UN Watch - der Propaganda bezichtigt.
Die US-Regierung hat unterdessen Sanktionen gegen vier jüdische Siedler verhängt, denen vorgeworfen wird, sich im Westjordanland an Gewalttaten gegen palästinensische Zivilisten beteiligt zu haben. Das US-Finanzministerium veröffentlichte am Donnerstag (Ortszeit) die Namen der vier Israelis, denen auch Einschüchterungsversuche und Zerstörung von Eigentum vorgeworfen werden.
Gesetzestreue Bürger
US-Präsident Biden habe wiederholt seine Besorgnis über die Zunahme der Gewalt durch Extremisten ausgedrückt, hatte zuvor ein Regierungsvertreter in Washington gesagt. Diese Handlungen seien eine ernsthafte Bedrohung für den Frieden und die Sicherheitsstabilität im Westjordanland, in Israel und im Nahen Osten.
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu äußerte sich am Donnerstagabend zurückhaltend zu den Sanktionen. »Israel ergreift gegen jeden, der irgendwo das Gesetz bricht, entsprechende Maßnahmen«, zitierten ihn israelische Medien. Daher seien »außergewöhnliche Maßnahmen nicht erforderlich«.
Bei der »absoluten Mehrheit« der Siedler im Westjordanland handele es sich um gesetzestreue Bürger, von denen viele in den Streitkräften dienten, um Israel zu verteidigen, sagte Netanjahu laut seinem Büro.
Verbindung mit dem Terror
Während Israels Armee im Gazastreifen gegen die Hamas vorgeht, laufen im Hintergrund die diplomatischen Bemühungen um eine erneute Feuerpause und die Freilassung von in dem Küstengebiet festgehaltenen israelischen Geiseln. Währenddessen droht sich die dramatische humanitäre Lage für die Hunderttausenden palästinensischen Zivilisten zu verschlimmern.
Dies hat mit der Verbindung zahlreicher UNRWA-Mitarbeiter mit dem palästinensischen Terror zu tun - sowie den Implikationen des Problems für die Finanzierung der UN-Organisation. dpa/ja