Auschwitz

Urlaub vom Morden

von Ingo Way

Hannah Arendts Diktum von der »Banalität des Bösen« – während des Eichmann-Prozesses geprägt – wurde so häufig zitiert (und dabei meist missverstanden), dass es selber banal wurde. Das Böse ist nicht banal. Es ist normal. Und gerade deswegen ist es immer wieder so erschreckend, wie sehr diejenigen, die Böses taten – SS-Männer, KZ-Wächterinnen und -wächter, Wehrmachtssoldaten –, es gleichzeitig schafften, ihre Verbrechen mit bürgerlichem Freizeitspaß und Feierabendstimmung unter einen Hut zu bringen.
Denn nur zu wissen, dass die Täter keine Mordmaschinen waren, sondern Menschen, die aßen, tranken, feierten und ins Kino gingen, ist etwas anderes, als es tatsächlich zu sehen. KZ-Aufseher in Liegestühlen, SS-Helferinnen als kreischende Girlies, Wachpersonal beim Tanzvergnügen in Auschwitz oder beim Schmücken eines Weihnachtsbaums – all das zeigen die 116 Bilder von Karl Höcker, Adjutant des Lagerkommandanten von Auschwitz Richard Baer. Dessen Fotoalbum hat das Holocaust-Museum in Washington nun der Öffentlichkeit vorgestellt.
Höcker nahm die Fotos zwischen Mai und Dezember 1944 in Solahütte auf, einem Erholungsheim der SS bei Auschwitz. Ein Geheimdienstoffizier der US-Armee entdeckte das Fotoalbum 1946 in Frankfurt und übergab es Anfang dieses Jahres dem Holocaust-Museum. Einige der Bilder zeigen auch Rudolf Höss und den KZ-Arzt Josef Mengele. »Auf den Fotos ist nichts Schreckliches zu sehen, noch nicht einmal ein Gefangener im Hintergrund«, sagt Judith Cohen, Leiterin der fotografischen Abteilung des Holocaust-Museums. »Und genau das macht sie so furchtbar.« Museumsdirektorin Sara Bloomfield fügt hinzu: »Diese einzigartigen Fotografien illustrieren die abgeschlossene Welt, die die Täter genossen, während sie eine Welt unfassbaren Leids bewachten.«
Der Fotograf, Karl Höcker, arbeitete nach dem Krieg bis 1963 unbehelligt in einer Bank. Erst dann musste er sich beim Auschwitz-Prozess in Frankfurt verantworten. Zu sieben Jahren Gefängnis wegen gemeinschaftlichen Mordes verurteilt, kam er nach fünf Jahren frei und starb 1988 im Alter von 88 Jahren.
www.ushmm.org/research/collections/highlights/auschwitz/auschwitz_album

Kultur

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 19. Dezember bis zum 2. Januar

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