Grete Weil

Unversöhnt zurückgekehrt

von Stephan Braese

Klaus Mann hatte noch versucht, sie von der Rückkehr nach Deutschland abzubringen. Aber anders als Paul Celan, Peter Weiss und Wolfgang Hildesheimer, die im Nach-Exil blieben, ging Grete Weil, deren Geburtstag sich am 18. Juli zum 100. Mal jährt, das Wagnis der Rückkehr nach (West-)Deutschland ein. Sie spekulierte auf Menschen, die, wie sie 1947 an Margarete Susman schrieb, »verstehen und verstehend hören können« – von der Erfahrung der Verfolgung, aber auch vom Alltag des Überlebens und zunehmend von der nicht endenwollenden Gegenwart der Vergangenheit. Tramhalte Beethovenstraat (1963) demonstriert eindringlich diesen Dialogwunsch: In der Figur des nichtjüdischen Journalisten und Dichters Andreas, der die Deportation der Amsterdamer Juden miterlebt, unter ihrem traumatischen Eindruck jedoch als Dichter im Nachkrieg verstummt, beharrt die Autorin auf der Überzeugung einer gemeinsamen Sprache von Deutschen und Juden selbst im Angesicht der Schoa.
Ihre auf dem Höhepunkt der antiautoritären Bewegung 1968 erschienenen Erzählungen Gloria Halleluja und B sagen (1968) intensivieren diese Ansprache an die Deutschen durch eine kritische Perspektive auf sich selbst. Weil thematisiert hier einmal ihre eigene Mitarbeit im Judenrat von Amsterdam und dessen prekäre Rolle im Apparat der Vernichtung. Zum anderen geht es um das Ausbleiben expliziten persönlichen Widerstands, aber auch um Passivität und Saturiertheit in der Gegenwart. Diese Perspektive radikalisiert sich im 1980 erschienenen Roman Meine Schwester Antigone, in dem Weil das Schicksal der jüdischen Überlebenden mit jenen Handlungsoptionen konfrontiert, die Sophie Scholl 1943 und Gudrun Ensslin Ende der 1970er Jahre ergriffen hatten. In den Roman ist auch der authentische Bericht eines deutschen Wehrmachtsoffiziers über die Liquidierung eines polnischen Dorfes montiert – ein früher, 1980 noch wenig beachteter Hinweis auf die Rolle der deutschen Armee in der Vernichtungspolitik.
Meine Schwester Antigone steht, wie die Erzählungen von 1968, aber auch die noch folgenden Romane Generationen (1983) und Der Brautpreis (1986), für eine Entschiedenheit jüdischer Selbstbefragung vor deutschem Publikum, die ohne Parallele in der deutschsprachigen Literatur nach 1945 ist. Doch weil sie sich damit dem herrschenden Versöhnungsklima des westdeutschen Kulturbetriebs verweigerte, waren Grete Weils Schriften von Anbeginn an einer Kritik ausgesetzt, die ihre literarischen Qualitäten nicht anerkennen wollte. Der große Erfolg des Antigone-Buchs von 1980 zeigte zwar, daß sich viele Leserinnen und Leser in Deutschland davon nicht mehr beeindrucken ließen. Doch wenige Jahre vor ihrem Tod 1999 äußerte Grete Weil, auf das breite Echo von Meine Schwester Antigone angesprochen: »Das kam alles viel zu spät.« Ihre Schriften waren an ein bestimmtes Zeitfenster geknüpft gewesen, an die historisch singuläre Chance eines Gesprächs zwischen Deut- schen und Juden unmittelbar zur NS-Epoche. Dieses Zeitfenster ist heute, 60 Jahre nach Kriegsende und 100 Jahre nach Grete Weils Geburt, geschlossen. Doch wie wenig die Bücher Grete Weils deswegen Geschichte geworden sind – davon kann sich bis heute jeder überzeugen.

Berlin

Bundesregierung begeht Gedenktag für Opfer von Terror

Im Auswärtigen Amt werden dazu Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) erwartet

 11.03.2025

München

Mann soll Plagiat wegen Obduktion seiner toten Mutter inszeniert haben

War es ein irrer Racheplan? Ein Mann soll mit der Fälschung eines Buches einem Rechtsmediziner geschadet haben. Seine Verteidigung fordert Freispruch – und auch er selbst äußert sich sehr ausführlich.

 07.03.2025

Hamburg

Wähler lassen AfD rechts liegen, Zeichen stehen auf Rot-Grün

In Hamburg hat Bürgermeister Tschentscher (SPD) weiterhin den Hut auf. Die AfD gewinnt Stimmen hinzu, bleibt aber vergleichsweise schwach

von Markus Klemm, Martin Fischer  03.03.2025

Israel

Tausende Israelis demonstrieren für die Freilassung der Geiseln

Die erste Phase der Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas endet ohne eine Vereinbarung über eine Fortsetzung

 02.03.2025

Berlin

Geräuschlose Premiere: Schwarz-Rot sondiert still und leise

Möglichst bis Ostern soll die neue Bundesregierung stehen. Kein Selbstläufer, denn im Wahlkampf gab es viele Verletzungen. Wie problematisch diese sind, zeigt eine Umfrage in der SPD

von Marco Hadem  28.02.2025

Berlin

Entscheidung über Samidoun-Verbot dieses Jahr

Der Verein Samidoun, das Islamische Zentrum Hamburg, »Compact« - das Bundesinnenministerium hatte zuletzt eine Reihe von Vereinsverboten erlassen. Über einige wird demnächst entschieden

 26.02.2025

Berlin

Zentralrat der Muslime verurteilt Attacke am Holocaust-Mahnmal         

Am Freitag wurde ein Mann am Holocaust-Mahnmal in Berlin Opfer einer Messerattacke. Ermittler gehen von einem antisemitischen Hintergrund aus

 24.02.2025

Bundestagswahl

Orban gratuliert Weidel - und nicht Merz  

Ungarns Regierungschef hat AfD-Chefin Weidel kürzlich wie einen Staatsgast empfangen. Sie ist auch diejenige, an die er nach der Wahl in Deutschland seine Glückwünsche richtet

 24.02.2025

Berlin

Jens Spahn: Gespräche über Koalition können sehr schnell beginnen

CDU-Chef und Wahlsieger Merz will bis Ostern eine neue Regierung bilden. Bereits diese Woche soll es erste Gespräche geben

 24.02.2025