von Wladimir Struminski
Den zweiten Libanonkrieg wird man am Rambam-Krankenhaus in Haifa nicht so schnell vergessen. Und zwar nicht nur we-
gen der zahlreichen Verwundeten, Zivilis-ten wie Soldaten, die an dem größten Hospital des Landesnordens behandelt werden mussten: Kriegssituationen sind Ärzte und Hilfspersonal von Rambam seit Jahrzehnten gewohnt. Was die Helfer in Weiß nicht kannten, war das Gefühl der Hilflosigkeit gegenüber der gegnerischen Bedrohung. Während die Hisbollah Tag für Tag, von niemandem gehindert, Raketen auf Haifa niederregnen ließ, machte sich unter dem Personal Furcht um das Leben der Patienten breit. Auf der Suche nach sicherem Unterschlupf wurden Kranke aus den in Richtung Norden gelegenen Gebäudetrakt in den Keller verlegt. Die anderen Verwundeten aber waren, grotesk genug, wegen mangelnder Be-
festigung im Hospital weniger geschützt als die kämpfende Truppe in ihren gepanzerten Fahrzeugen oder Zivilisten im Luftschutzraum. Dass es zu keinen Einschlägen kam, war ein Wunder. Zweimal schlu-
gen Raketen nur 80 Meter vom Krankenhausgebäude entfernt ein. Weil der Rambam-Komplex in einem strategisch wichtigen Gebiet liegt, gilt er als besonders gefährdet. In einem künftigen Krieg könnten Gegner das Hospital auch gezielt ins Visier nehmen: Zwar stellt der Beschuss eines Krankenhauses ein Kriegsverbrechen dar, doch will sich niemand darauf verlassen, dass sich die Hisbollah oder gegnerische Staaten wie der Iran oder Syrien von solchen juristischen Formalien ab-
schrecken lassen.
»Wir haben aus dem Krieg gelernt«, sagt jedenfalls Professor Rafi Beyar, Generaldirektor des Rambam-Medizinzentrums. Un-
mittelbar am Hauptgebäude klafft eine sechs Meter tiefe Grube. Wenn der Aushub abgeschlossen ist, werden es 15 Meter sein. In Friedenszeiten soll die Anlage als ein ganz normales Parkhaus für Krankenhausbesucher dienen. Im Kriegsfall aber lässt sich die untere Etage zu einem funktionierenden Krankenhaus umbauen. Die dafür erforderlichen Stromkabel und Sauerstoffleitungen werden bereits im Baustadium in den Wänden verlegt, so dass das unterirdische Hospital, so Rambam-Pressesprecher David Ratner, bei Be-
darf innerhalb von 24 Stunden seinen Be-
trieb aufnehmen kann. Zu diesem Zweck werden alle medizinischen Ausrüstungen aus dem Notlager hervorgeholt, während Bauteams die 18.000 Quadratmeter große Fläche mit Sichtsperren in separate Räume unterteilen – und fertig ist das Feldlazarett. Nach Wünschen der Armee soll dieses übrigens auch gegen chemische und biologische Angriffe geschützt sein. Die beiden oberen Etagen dienen im Kriegsfall als Luftschutzraum.
»Mit 750 Betten«, so Beyar im Gespräch mit der Jüdischen Allgemeinen, »wird es das größte unterirdische Behandlungszent-rum Israels sein«. Und nicht nur Israels. Die in Entstehung befindliche Untergrundanlage gehört zu den größten ihrer Art in der Welt. Rechnet man die heute schon bestehenden Kellerräume hinzu, wird Rambam über rund 1.000 Notfallbetten verfügen. Damit hofft das Krankenhaus, den nächsten Krieg, so es denn einen gibt, überstehen zu können. Das ist nicht nur für die Verwundeten wichtig, für die Rambam bei einem Krieg im Norden die zentrale Adresse darstellt, sondern auch für ganz normale Kranke. »Auch diese«, betont Beyar, »müssen behandelt werden.« Operationen lassen sich nur selten verschieben, und auch dann nicht unbegrenzt. Hinzu kommt, dass Rambam als Überweisungszentrum für elf weitere nordisraelische Krankenhäuser fungiert. Damit leben in seinem Einzugsgebiet zwei Millionen Menschen aller israelischen Volks- und Religionsgruppen.
Eine bloße Befestigung bestehender Ge-
bäude war nicht möglich. Das Hauptgebäude, so Pressesprecher Ratner, wurde 1972 fertiggestellt, zwei weitere sind noch älter: »Da kann man nicht einfach eine Be-
festigung darüber bauen.« Ganz davon ab-
gesehen, wären herkömmliche Befestigungsmaßnahmen gegen syrische Scud-Raketen, möglicherweise sogar gegen die im Hisbollah-Besitz befindlichen Katjuschas wirkungslos.
Das Haifaer Projekt entbehrt dennoch nicht einer gewissen Ironie. Trotz wiederholter Beteuerungen der Regierung, auch ihrerseits Lehren aus dem Krieg gezogen zu haben, fand sich in der Staatskasse kein Geld für das Vorhaben. In der vergangenen Woche trug die Krankenhausdirektion dem Noch-Ministerpräsidenten Ehud Olmert der die Baustelle persönlich inspizierte, die Bitte um staatliche Finanzierung vor. Ob das bei der Ebbe der Staatsfinanzen und so kurz vor den Wahlen helfen wird, muss sich zeigen. Vorerst stammt das Geld für den Bau ausschließlich aus Spenden ausländischer und einheimischer Mäzene. Allerdings reichen die bisher aufgebrachten Mittel nur für den Bau selbst, nicht aber für die medizinische Ausrüstung. Die müssen sich die Lebensretter aus Haifa erst erschnorren.