Früher oder später stellt sich jeder die Frage: Wo komme ich her, und wohin gehe ich? Damit verbunden ist die Frage nach einem Weiterleben nach dem Tod. In der Tora wird angedeutet, dass es ein Leben danach gibt, ohne dass es genauer beschrieben wird. Allerdings findet das Thema im Talmud und in der Kabbala häufig Erwähnung. Im Tamud-Traktat Kiduschim 39b ist zum Beispiel zu lesen, dass dieses Leben hier nur ein Korridor zur »kommenden Welt« (Olam Haba) sei. In unserer Welt lebt ein Mensch maximal 120 Jahre, der Körper stirbt, aber die Seele lebt weiter bis in alle Ewigkeit. Daran besteht aus religiöser Sicht kein Zweifel.
Ein Mensch arbeitet, funktioniert Tag für Tag, auf einmal stirbt er. Das heißt, der gleiche Körper, der täglich funktionierte, tut dies auf einmal nicht mehr. Was ist passiert? Die Seele hat den Körper verlassen und der verliert seinen Antrieb, seine Energie – sein Leben. Im Talmud (Traktat Nida 31b) steht, welche Voraussetzungen für die Geburt eines Kindes nötig sind: G’tt gibt die Seele, Vater und Mutter geben den Körper. G’tt entscheidet, wann der Mensch eine Seele bekommt. Er bestimmt aber auch, wann diese Gemeinschaft endet, die Seele den Körper verlässt und der Mensch stirbt.
Todesnähe In der heutigen Zeit gibt es zahlreiche Arbeiten sowohl jüdischer als auch nichtjüdischer Wissenschaftler, die bestätigen, dass es ein Leben nach dem Tod gibt. Elisabeth Kübler-Ros war Expertin im Bereich des klinischen Todes sowie der Todesnähe-Erfahrungen und Autorin verschiedener Bücher zu diesem Thema. Sie berichtet von Patienten, die im Krankenhaus reanimiert wurden, und danach da-
von erzählten, wie ihre Seele den Körper verlassen hatte. Oft wird gesagt, die Seele steige dabei nach oben. Zudem sei ein strahlendes weiß-blaues Licht zu sehen und eine liebevolle g’ttliche Nähe und Wärme zu spüren. Die Seele befinde sich außerhalb des Körpers und könne diesen, die Ärzte und vieles andere während der Reanimation sehen. Nach gelungener Wiederbelebung seien die Seelen in die Körper zurück-gekehrt. Die Patienten hatten sich oft an erstaunliche Einzelheiten erinnern können, die während der Reanimation stattgefunden haben. Es gibt zahlreiche Berichte von Menschen, die so etwas erlebt haben.
So hat zum Beispiel ein Wissenschaftler aus Berlin folgenden Fall ausführlich beschrieben: In der Stadt ereigneten sich zeitgleich zwei Autounfälle. Im ersten Fall wurde eine Person von einem PKW angefahren. Der Unfallverursacher ließ den schwer verletzten Menschen liegen und flüchtete. Das Unfallopfer verstarb noch an der Unfallstelle. Bei dem zweiten Un-
fall waren ein PKW und ein Motorrad beteiligt. Der Motorradfahrer wurde ebenfalls so schwer verletzt, dass er von Notärzten wiederbelebt werden musste. Nach-
dem er aus dem Koma erwachte, beschrieb er ausführlich den ersten Unfall. Er hatte ihn im Zustand der Ausleibigkeit beobachtet und beschrieb genau das Auto des Fahrerflüchtigen: Typ, Lackierung, ja sogar das Kennzeichen konnte er benennen.
Danach Die jüdische Überlieferung weiß von verschiedenen Möglichkeiten, wohin sich eine Seele nach dem Tod wenden kann, je nachdem, wie der Mensch gelebt hat. Entweder wird er direkt ins Paradies oder in das Gehinom (Hölle) gelangen. Eine andere Möglichkeit ist, dass die Seelen nur für einen bestimmten Zeitraum in das Gehinom und anschließend, nach Verbüßung der Strafe, ins Paradies gehen. Eine Alternative besteht darin, dass die Seele eine gewisse Zeit ruhelos existiert. Als fünfte Möglichkeit kann eine Seele in einem neuen Körper wiedergeboren werden (Reinkarnation). Nach jüdischer Religionsauffassung besteht diese Möglichkeit für eine Seele nur dreimal. Hierzu ein nicht zu weit zurückliegendes Ereignis: Als Israel vor etwa 30 Jahren einen Teil des Libanon eroberte, wurde auch eine Polizeistation in Zor besetzt. Auf diese Polizeistation wurde später ein Anschlag verübt, bei dem 20 israelische Soldaten getötet wurden. Einer von ihnen war ein drusischer Offizier. Einige Jahre später wurde in einem drusischen Dorf ein Junge geboren, der behauptete, dass er in einem Dorf, circa 100 Kilometer von seinem Elternhaus entfernt, Frau und Kind habe. Anfangs dachten die Eltern, dass ihr Kind verrückt sei, und stellten den Jungen, als er größer war, einem Psychologen vor. Dieser meinte, dass das Kind ganz normal entwickelt sei, aber Erinnerungen aus einer anderen Zeit habe. Man beschloss, das Dorf, welches der Junge beschrieb, aufzusuchen. Der erkannte alle Wege, obwohl er nie zuvor dort gewesen war. Er fand seine Wohnung wieder, die Frau und das Kind. Der Frau beschrieb er genau, wo früher seine Sachen und Kleider gelegen hatten. Auch erzählte er ihr, was sie zusammen erlebt hatten. Die Frau bestätigte alles. An-
schließend kam ein Nachbar, den der Junge mit seinem Namen ansprach und beide konnten trotz des Altersunterschiedes ge-
meinsame Erlebnisse austauschen.
Rückführungshypnose Ein drittes Argument für ein Leben nach dem Tod ist die Hypnose. Ein englischer Wissenschaftler hat sich darauf spezialisiert, erwachsene Menschen in Hypnose zu versetzen und sie in die Zeit vor ihrer Geburt zurückkehren zu lassen. Er beschreibt aus etwa 90 Fällen dieser Rückführungshypnose einen besonders beeindruckenden Fall: Ein Mann schilderte während einer Hypnosesitzung eine Schlacht, in der er getötet wurde. Er konnte sich genau an seinen früheren Namen erinnern und auf welche Weise er umkam. Dadurch war es dem Wissenschaftler möglich, im Archiv nachzuforschen, wobei sich alle Angaben bestätigten.
Dibuk Auch der »Dibuk« kann als ein Ar-
gument für ein Leben nach dem Tod gelten. Dibuk nennt man die Seele eines Verstorbenen, die keine Ruhe finden kann. Dieses Phänomen tritt in unserer Zeit sehr selten auf. Solch eine Seele versucht, Hilfe bei den Menschen zu finden. Vor vielen Jahren gab es in Israel solch einen Fall: Ein junger Mann war gestorben, der das Leben eines Verbrechers geführt, mit Drogengeschäften und Einbrüchen sein Geld verdient hatte. Er hinterließ eine Frau und zwei Kinder. Einige Zeit nach seinem Tod brach seine Frau wiederholt bewusstlos und manchmal auch verkrampft zusammen. Sie sprach mit der Stimme ihres verstorbenen Mannes und stieß Todesdrohungen gegen sich und die Kinder aus. Die Ärzte waren ratlos und besprachen den Fall mit einigen Rabbinern. Diese nahmen Kontakt zur Seele des Verstorbenen auf und erfuhren, dass sie in der schlimmsten Stufe der Hölle ist (hebräisch: Kaf haKela), keine Ruhe findet und gepeinigt wird. Die Rabbiner fragten nun, wie man ihr helfen könne, damit die Frau und die Kinder wieder in Ruhe leben könnten. Die Seele antwortete, wenn die Kinder Kaddisch sagen und zu einem religiösen Leben zurückfinden würden, werde sie von der Frau ablassen. Nun vereinbarten die Rabbiner mit der Seele einen Zeitpunkt, an welchem diese den Körper der Frau verlassen und nicht mehr zurückkehren sollte. So ge-
schah es.
Traum In einer anderen Geschichte aus Israel hören wir von einem Arzt, der die lebenserhaltenden Maschinen eines Patienten abschaltete. Nach dessen Tod erschien die Seele des Patienten dem Arzt im Traum und beklagte sich, dass er die Versorgung abgebrochen hatte. Sie sagte, dass sie nur noch vier Tage hätte aushalten müssen – danach alle Sünden, die sie zu Lebzeiten begangen hatte, vergeben gewesen wären und sie direkt ins Paradies hätte gehen können. Der Arzt hatte der Seele die Möglichkeit der Tschuwa (Rückkehr) genommen. Aufgrund dieses Erlebnisses wurde der Arzt sehr religiös. Er hatte verstanden, dass auch das Leiden von G’tt gegeben und nicht sinnlos ist.
Wer anhand dieser Beispiele, Geschichten und vielfältigen Erfahrungen immer noch nicht an die Gewissheit eines Lebens nach dem Tod glauben kann, sollte dennoch als Jude ein gutes, g’ttgefälliges Leben nach den Weisungen der Tora führen. Das ist immer noch die beste Voraussetzung für ein gutes Leben nach dem Tod, in »Olam haba«, der kommenden Welt.