Ognjen Kraus

»Unser Fall ist beispiellos«

Herr Kraus, die Juden in Zagreb sind zerstritten. Jetzt hat Bet Israel sogar eine zweite Gemeinde gegründet. Wie konnte es dazu kommen?
kraus: Weder zerstritten noch gespalten. Die Gemeinde Zagreb hat 1482 Mitglieder, und bis heute hat keiner seinen Austritt erklärt. Der Konflikt zwischen Bet Israel und der jüdischen Gemeinde eskalierte nach dem Entschluss, den Vertrag von Rabbiner Kotel Dadon nicht zu erneuern. Das war auch Thema auf einer Mitgliederversammlung, auf der sich lediglich 57 Mitglieder für eine Erneuerung des Vertrages ausgeprochen haben. Das sind keine 75 Prozent wie von Ivo Goldstein angegeben. Die Kampagne von Ivo Goldstein hatte Erfolg, denn der Staatspräsident mischte sich ein: Er forderte den mehrheitlichen Entschluss, also keine Vertragsverlängerung mit dem Rabbiner, zu revidieren. Das ist ein eklatanter Verstoß gegen den demokratischen Grundsatz der Nichteinmischung des Staates und der Politik in die inneren Angelegenheiten von Religions- und Nationalgemeinschaften. Der Skandal hat nicht nur dem Ansehen unserer Gemeinde schweren Schaden zugefügt, sondern auch eine Welle des Antisemitismus und Rassismus hervorgerufen.

Warum gibt es keine Zusammenarbeit?
kraus: Ich, meine Kollegen im Vorstand und unsere Mitarbeiter sahen uns schweren Beschuldigungen seitens Ivo Goldsteins und seiner Truppe ausgesetzt: vom Vorwurf eines diktatorischen Führungsstils über vermeintliche Korruption bis hin zu kriminellen Machenschaften. Diese Anschuldigungen wurden seitens des Gerichts längst als haltlos zurückgewiesen. Es gab sogar den Versuch, unsere Gemeinde aus dem Register der Religionsgemeinschaften der Republik Kroatien streichen zu lassen. Unterschrieben hat Rabbiner Kotel Dadon – als autorisierte Person der jüdischen Gemeinde Zagreb, was er nicht war. Deswegen haben wir gegen ihn Strafantrag gestellt. Rabbiner Kotel Dadon versucht, gerichtlich seine Wiedereinstellung in unserer Gemeinde zu erwirken, die er gleichzeitig liquidieren will. Das ist ein Paradox!

Bet Israel behauptet, dass die Nicht-Verlängerung des Vertrages mit Rabbiner Dadon keine Grundlage hatte. Warum haben Sie sich mit Zvi Alonie einen neuen Rabbiner gesucht?
kraus: Über Rabbiner Dadons Arbeit gab es konkrete Beschwerden, die wiederholt vorgebracht wurden. Einige haben kritisiert, dass er sich als konservativer orthodoxer Rabbiner der Tradition unserer Gemeinde nicht anpassen konnte oder wollte. Von Anfang an hat er sich in Angelegenheiten außerhalb seines Wirkungsbereiches eingemischt, hat Spannungen bewirkt, sich lieber mit seinen profitablen Projekten befasst und die anderen Gemeinden vernachlässigt. Obwohl er der Oberrabbiner von Kroatien war, hat er die Mehrheit der zehn Gemeinden nie besucht. Mit seinem Wissen hat seine Gattin vor den Gemeindewahlen versucht, per Rund-Mail an alle Gemeindemitglieder für Ivo Goldsteins Gruppe Stimmung zu machen. Und er hat sich selbst in die Kampagne eingeschaltet, was für einen Rabbiner unzulässig ist. Von seiner Moral zeugt wohl am besten die Tatsache, dass er noch immer nicht die Wohnung verlassen will, die ihm unsere Gemeinde mietfrei als Rabbiner zur Verfügung gestellt hat – gleichzeitig aber setzt er alles daran, diese Gemeinde zu vernichten.

Bet Israel wirft Rabbiner Zvi E. Alonie vor, dass er nicht dem jüdischen Gesetz gemäß ordiniert worden sei. Haben Sie das überprüft?
kraus: Bet Israel wirft ihm sogar vor, dass seine Diplome gefälscht seien. Zvi Elieser Alonie ist zu uns aus Mainz gekommen. Er hat uns vor Amtsantritt seine Dokumente überlassen. Wir haben diese in Israel überprüfen lassen und haben uns von ihrer Echtheit und Richtigkeit überzeugt. In unserer Gemeinde hat er sich längst Achtung und Sympathie erworben und hat eine Atmosphäre der Ruhe und Harmonie geschaffen. Für die haltlosen Verleumdungen sind Rabbiner Kotel Dadon und seine Quellen verantwortlich.

Zwischen Bet Israel und Ihrer Gemeinde gibt es keine Zusammenarbeit. Wird das auf absehbare Zeit so bleiben?
kraus: Bet Israel ist eine Gruppe, deren einziges Ziel die Übernahme der jüdichen Gemeinde Zagreb und ihres Eigentums ist. Die Politiker wollen uns diese fragwürdige Gemeinschaft als Partner aufzwingen, und zwar in der Realisation des größten Projekts des jüdischen Zentrums und der Synagoge an der Stelle unseres ehemaligen Tempels, der vom Ustascha-Regime 1941/42 zerstört worden ist. Mit solchen Initiativen wird versucht, Bet Israel als zweite Zagreber Gemeinde zu legitimieren und Ivo Goldstein endlich zum Präsidenten der jüdischen Gemeinde zu machen. Einem möglichen Kontakt oder gar einer Zusammenarbeit muss eine öffentliche Entschuldigung vorangehen, für den Schaden, der nicht allein der Zagreber Gemeinde, sondern allen Juden in Kroatien zugefügt wurde. Aber das ist nicht zu erwarten.

Drohen in Zagreb »Prager Verhältnisse«, wo sich die Gemeindemitglieder regelrecht bekämpft haben?
kraus: Nein. Die Gründe des Konfliktes hier und dort sind ganz verschieden. In Prag hat sich die Politik nicht in die Probleme der Gemeinde eingemischt. Unser Fall ist beispiellos in demokratischen europäischen Staaten, wo die Autonomie der Religionsgemeinschaften geachtet wird. Hohe Vertreter des European Jewish Congress (EJC) und B’nai B’rith Europe haben uns ihre Unterstützung zugesagt. Sie waren auf Einladung der Gemeinde nach Zagreb gekommen und hatten auch mit den höchsten Vertretern der Politik Gespräche geführt. Aber ihre Forderung nach Nichteinmischung der Politik stieß hier auf taube Ohren. Das ist die Situation, in der wir leben.

Das Gespräch führte Baruch Rabinowitz.

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