Jeder, der schon einmal am Samstag in Je-
rusalem war, kennt es: Endlose Warteschlangen an den wenigen geöffneten Parkplätzen, Gezanke und Gezeter um je-
des noch so kleine Stückchen Seitenstreifen, ohrenbetäubende Hupkonzerte. Autofahrers Leid. Für religiöse Juden eine Provokation. Schließlich ist der Schabbat hei-
lig. Und das gilt es um jeden Preis zu verteidigen. So geschehen letzten Samstag. Grund des Übels: ein Parkplatz. Am Ende der Auseinandersetzungen gab es sechs verletzte Polizisten, sieben ultraorthodoxe Protestanten in Gewahrsam und einen traurigen Tag mehr in Jerusalems gewalttätiger Geschichte.
Dabei hatte alles recht harmlos begonnen: Die Stadtverwaltung mit dem säkularen Bürgermeister Nir Barkat hatte angekündigt, einen Parkplatz am Safraplatz we-
gen des chronischen Mangels an Stellplätzen am Schabbat zu öffnen. Selbstverständlich unter Berücksichtigung des jüdischen Gesetzes, der Halacha. Der Platz soll-
te weder unter der Verwaltung von Juden stehen, noch sollte Geld den Besitzer wechseln. Was als kleine Änderung geplant war, wurde von vielen innerhalb der ultraorthodoxen Gemeinde als Kriegserklärung aufgefasst. Der Handschuh war geworfen – faule Eier, schwere Steine und volle Windeln flogen. Tausende Männer in schwarzen Mänteln und Hüten versuchten, die Stadtverwaltung zu stürmen, attackierten Sicher-
heitskräfte und zündeten Mülltonnen an. Gegendemonstranten machten währenddessen friedlich auf ihr Recht auf ein säkulares Leben in ihrer Stadt aufmerksam.
Der Jerusalemer Polizeichef Aharon Franco zeigte sich nach den Auseinandersetzungen frustriert: »Fast zwei Jahre lang hatten wir hier Ruhe, indem wir tagtäglich mit der Gemeinde kommuniziert haben.« Der Dialog, den der Bürgermeister mit dem ultrareligiösen Rabbiner und Anführer der Ausschreitungen, Yitzchak Tuvia Weiss, geführt hatte, war zuvor gescheitert.
Barkat versuchte die Wogen zu glätten und machte gleichzeitig auf einer Pressekonferenz deutlich, dass er nicht vorhabe, gewalttätigen Demonstranten nachzugeben. Es scheint, als bekomme er nun zum ersten Mal den schmalen Grad seines Amtes tatsächlich zu spüren. Statt dem frischen Wind, den er versprochen hatte, weht ihm nun der beißende Gestank der brennenden Mülltonnen von Mea Schearim um die Nase. Sabine Brandes
Proteste