von Heide Sobotka
»Wo wird die Zeitung denn gedruckt?« Gisela Naomi Blume aus Fürth ist fast etwas enttäuscht als sie die Redaktion der Jüdischen Allgemeinen verläßt. Die Zeitungsherstellung hat sie sich etwas handfester vorgestellt. Nicht enttäuscht ist sie jedoch von dem zweitägigen Seminar, das mit dem Zeitungsbesuch abschloß. »Presse- und Öffentlichkeitsarbeit« stand auf dem Programm, das der Zentralrat der Juden in Deutschland am 22. und 23. Mai in Berlin den Vertretern jüdischer Gemeinden anbot.
Jüdische Themen gewinnen immer mehr Interesse in der Öffentlichkeit. Auch kleinste Gemeinden stehen im Blickpunkt der Medien-Berichterstattung und müssen in Sachen Presse und Öffentlichkeit gewappnet sein. »Wie sollen wir auf Anfragen reagieren? Wie können wir Zeitung, Rundfunk oder Lokalsender für uns nutzen? Wie gehe ich mit schlechter Presse um?« Fragen, auf die Peter Kordes von der gleichnamigen PR-Agentur in einem Schnelldurchlauf über Wesen und Sinn von Presse- und Öffentlichkeitsarbeit einging.
Die Scheu, von sich aus auf Medien zuzugehen, war vielen Seminarteilnehmern anzumerken. »Wie schaffe ich es, daß ein Journalist auch in meinem Sinne berichtet, oder gar etwas nicht schreibt?«, will Simcha Ben Abraham aus Dresden wissen. Seine Frage beruht auf leidvoller Erfahrung. Ein Reporter hatte genau das geschrieben, was Ben Abraham nicht veröffentlicht sehen wollte. »Meist ist Unwis- senheit der Ursprung von Fehlern. Der Journalist ist auf Ihre Informationen angewiesen«, betont Peter Kordes. Im Fall Dresden wäre es sicherlich gut gewesen, dem Reporter zu erklären, welche Auswirkungen es haben könnte, wenn er über den problematischen Sachverhalt schreibt. Eine Absicht, gezielt etwas Negatives zu berichten, sollte man nicht gleich unterstellen. »Wir machen alle unsere Arbeit, der Journalist und Sie.«
Die Fragen machen deutlich, daß die Vorsicht der Gemeindevertreter gegenüber der Presse keine sprachlichen Ursachen hat. Zuwanderer wie Alteingesessene fühlen sich der »Macht der Medien« unterlegen. Unsicher sind sie auch darüber, was man aus seiner Gemeinde nach außen dringen läßt und was nicht. Daniel Killy, Pressereferent der Jüdischen Gemeinde Hamburg, schaltet sich ein und warnt: »Es gibt keine jüdische und nichtjüdische Öffentlichkeitsarbeit. Man kann nicht mauern oder einfach etwas verschweigen. Im Zweifelsfalle heißt es dann in der Zeitung: ›Die Gemeinde wollte sich dazu nicht äußern‹, was immer einen schlechten Beigeschmack hat.« Hilfreich sei, dauerhafte Kontakte etwa zur lokalen Presse aufzubauen, Ansprechpartner zu haben. Das gelte für beide Seiten. Außerdem könne man mit einer aktiven Öffentlichkeitsarbeit vielen Antisemiten auch das Wasser abgraben, Sachverhalte aus der eigenen Sicht dar- und klarstellen. Wichtig ist, betont Peter Kordes immer wieder, daß man selbst gut informiert sein muß, um andere informieren zu können.
Mit welchen Themen geht man an die Öffentlichkeit? Was ist interessant? Auch der Nachrichtenwert einer Information muß erst einmal erkannt werden. Wer Aufmerksamkeit haben will, muß spannende, ungewöhnliche, aktuelle und interessante Informationen anbieten. Sicherlich ist nicht der Gottesdienst am Schabbat eine gesonderte Mitteilung wert, wohl aber, wenn er diesmal in einem anderen Ritus gehalten wird oder ein bekannter Rabbiner von außerhalb kommt. Wird erstmals seit vielen Jahren eine jüdische Hochzeit gefeiert? Wird ein neuer Rabbiner eingestellt? Wurde ein neuer Gemeindevorstand gewählt? Man müsse die Regel »only bad news are good news«, nur schlechte Nachrichten seien die richtigen, nicht zu wörtlich nehmen. Interessant müssen sie sein.
Wie sollen diese Informationen dargestellt werden, um sie in einer Pressemitteilung zu »verkaufen«? Das Wichtigste an den Anfang, sagt Peter Kordes. Die sechs Ws bedienen: wer, was, wann, wo, wie, warum? In kurzen, klaren Sätzen. Der Text muß von hinten kürzbar sein. Jeder Satz sollte nur einen Gedanken enthalten. Kordes gibt den Teilnehmern viele Tips mit auf den Weg für die praktische Übung, die am zweiten Seminartag folgt.
Der anschließende Besuch bei der Jüdischen Allgemeinen gab ihnen einen ersten Einblick, wie eine Zeitung funktioniert, wie Themen und Artikel entstehen und wer extern für die Zeitung schreibt. »Wir sind Ihre Adressaten«, eröffnete Chefredakteur Christian Böhme die Fragerunde. »Wie viele jüdische Kollegen haben Sie, und was interessiert Nichtjuden an der Mitarbeit bei einem jüdischen Blatt?«, wollen die Besucher wissen. Wünsche und Anregungen an ihre Zeitung folgen: mehr jüdische Ausdrücke im Text, eine Kinderseite, preiswertere Abonnements für kleine Gemeinden.
»Viele Ihrer Ideen werden wir sicherlich berücksichtigen und vielleicht umsetzen können«, sagt Böhme. Und wie war das mit dem Druckort? »Wir machen zwar fast alles selbst, aber drucken können wir nicht auch noch, das macht für uns der Verlag Gruner und Jahr in Lichtenberg«, sagt Böhme und verabschiedet die Gäste, die vielleicht schon morgen die Zeitung mit Nachrichten versorgen werden. Jetzt kennen sie einige ihrer Adressaten.