von wladimir struminski
Am Montag dieser Woche war es soweit. Die Kommission zur Untersuchung des Libanonkrieges nahm ihre Arbeit auf, was nicht einer gewissen Ironie entbehrte. Das von der Regierung ernannte Expertengremium gilt als kompetent, unabhängig und vertrauenswürdig. Von seiner Arbeit erwartet die Öffentlichkeit eine gründliche Aufklärung der Kriegsvorbereitungen und der Kriegsführung. Nur paßt diese Gründlichkeit der Regierungsspitze gar nicht ins Konzept. Nicht umsonst wollten Ministerpräsident Ehud Olmert und Verteidigungs- minister Amir Peretz die Untersuchung auf einer untergeordneten Ebene ansiedeln.
Im ersten Anlauf ernannte Peretz einen mit keinerlei rechtlichen Befugnissen ausgestatteten »Prüfungsausschuß«. Dieser lö-ste sich wegen heftiger Proteste schnell wieder auf. In der zweiten Runde bestimmte Olmert den Ex-Mossad-Chef Nachum Admoni zum Vorsitzenden einer regierungseigenen Untersuchungskommission. Auch das kam schlecht an, weil Olmert Admonis Frau mehrmals Posten im Regierungsapparat verschafft hatte. Zwei weitere von Olmert ausgesuchte Mitglieder der Admoni-Kommission wurden vom Rechtsberater der Regierung wegen ihrer Arbeit in der Rüstungsindustrie und der damit einhergehenden Abhängigkeit vom Verteidigungsministerium sogar als befangen abgelehnt.
Nun erst beugte sich der Premier. Zwar ließ er es bei einem von der Regierung eingesetzten Ausschuß bewenden, statt eine mit allen Befugnissen ausgestattete staatliche Untersuchungskommission einzusetzen. Deren personelle Besetzung ist jedoch hochkarätig. Zwei Professoren und zwei Ex-Generäle gehören der Kommission an. Zu ihrem Vorsitzenden wurde der pensionierte und hochangesehene Bezirksgerichtspräsident Eliahu Winograd ernannt. Ausgestattet mit nahezu allen Befugnissen einer staatlichen Untersuchungskommission darf sie Zeugen vorladen und ihnen Immunität gewähren, was der Wahrheitsfindung meist erheblich dient. Das Untersuchungsmandat ist weitgefaßt und schließt das Militär ebenso ein wie die politische Ebene. Für Olmert und Peretz ist das durchaus riskant, denn sie tragen die politische Verantwortung.
Weniger gefährlich für die beiden ist der breite Zeithorizont der Untersuchung: Die Kommission soll nicht nur das unmittelbare Vorfeld und den Verlauf des jüngsten Krieges, sondern auch die Regierungspolitik und das Verhalten der Armee seit dem israelischen Rückzug aus dem Südlibanon im Juni 2000 unter die Lupe nehmen. Warum reagierte Jerusalem trotz Warnungen der Geheimdienste nicht eher auf die massive Aufrüstung der Hisbollah? Weshalb beantwortete sie die Entführung dreier israelischer Soldaten im Oktober 2000 nicht militärisch? Aus welchem Grund ignorierte man die Wünsche der Armee nach modernen Waffen? Wie sahen die Entscheidungsprozesse im Regierungsapparat und beim Militär aus? In welchem Jahr begannen die Streitkräfte, sich auf einen Waffengang gegen die Schiitenmiliz vorzubereiten? Damit kommen nicht nur das heute amtierende Kabinett, sondern auch die Vorgängerregierungen der Arbeiterpartei unter Ehud Barak und des Likud unter Ariel Scharon ins Visier. Dem damaligen Fernmelde- und Industrieminister Olmert und Ex-Gewerkschaftsboß Peretz kann das nur recht sein.
Zum Abschluß ihrer Arbeit darf die Kommission persönliche Konsequenzen gegen Politiker und Militärs anregen. Zwar werden ihre Empfehlungen weniger verbindlich sein als die einer staatlichen Untersuchungskommission. Das Duo Olmert/Peretz wird sie jedoch kaum ignorieren können – auch dann nicht, wenn ihnen selbst der Rücktritt nahegelegt wird. In jedem Fall bietet eine Kommission »mit Biß« die Chance zu schonungsloser Aufklärung und einem Neubeginn.