Kulturzeitschrift „Judisk Krönika“

Unabhängig schreibt’s sich besser

von Katharina Schmidt-Hirschfelder

Jackie Jakubowski sitzt entspannt in seinem Büro in der Stockholmer Nybrogatan. Die 170 Seiten starke Jubiläumsausgabe zum 75. Geburtstag der schwedischen jüdischen Kulturzeitschrift Judisk Krönika ist ein Erfolg. Auf vier Seiten loben Promi-nente aus Medien, Kultur und Wissenschaft das Blatt. »Eine Zeitung von absoluter Weltklasse«, lautet der Tenor.
Das hätte vor einigen Jahren keiner geschrieben. Als Jakubowski 1980 die angeschlagene Zeitschrift als Chefredakteur übernahm, war sie auf den Status eines Gemeindeblatts abgerutscht. Jakubowski wollte die Judisk Krönika wieder zu dem machen, was sie in ihren Anfängen in den 1930er-Jahren gewesen war: eine auch außerhalb der kleinen jüdischen Gemeinschaft anerkannte und gelesene Kulturzeitschrift. Journalistische Erfahrung hatte der Sohn polnischer Juden, der als 19-Jähriger aus Stettin nach Schweden gekommen war, zwar nicht. Dafür aber Visionen, Esprit und einen hohen Anspruch.
Diese Eigenschaften hatten auch Daniel und Simon Brick 1932 angetrieben, als sie die Zeitschrift gründeten. Die beiden Brüder waren unzufrieden mit dem assimilationistischen Kurs der jüdischen Gemeinschaft Schwedens, die sich statt »jüdisch« lieber »mosaisch« nannte. Daniel und Simon Brick wollten Schweden und Juden zugleich sein. Die Judisk Krönika sollte ein gemeindeunabhängiges Sprachrohr für eine jüdische Renaissance in Schweden, sein, die alle Themen der jüdischen Kultur abdeckte. »Das waren fantastische Artikel in den ersten Nummern«, erzählt Jaku-bowski begeistert. »Literatur, Theater, Musik, Zionismus – alles auf hohem Niveau.« Doch die Schwerpunkte änderten sich bald. Ein Jahr nach der ersten Ausgabe kam Hitler in Deutschland an die Macht: Politik verdrängte literarische Essays und philosophische Debatten. Während des Krieges berichtete die Zeitschrift über die Schoa, nach 1945 über jüdische DPs und den Kampf um einen jüdischen Staat in Palästina. Für Kultur blieb immer weniger Platz. 1979 überließen die inzwischen betagten Brüder Brick die Judisk Krönika der Stockholmer jüdischen Gemeinde, die mit dem Blatt wenig anzufangen wusste. »Die Zeitschrift hat sich damals einfach nicht mehr weiterentwickelt«, sagt Jakubowski.
Inzwischen ist die Krönika wieder unabhängig und eine moderne Version des Brickschen Traums von einer authentischen jüdisch-schwedischen Kulturstimme geworden. Bekannte schwedische und israelische Intellektuelle wie David Grossman und Cordelia Edvardson schreiben für die Zeitschrift. Es geht um Themen wie jüdische Identität, Israel, Religion, Holocaust und Antisemitismus, aber auch um Charlie Chaplin und Madonna.
Die Wände seines Büros hat Jackie Jakubowski mit 102 Krönika-Titeln bunt gepflastert. So viele waren es bisher unter seiner Ägide. Sechs Ausgaben pro Jahr. »Ich erinnere mich an alle«, sagt der 57-Jährige. Besonders natürlich an die kontroversen Titel, die innerhalb der Stockholmer jüdischen Gemeinde für heftige Dis- kussionen sorgten: Feminismus, Homosexualität, Umwelt und Chabad.
Die meisten Krönika-Leser sind allerdings Nichtjuden. Sie schätzen an der Zeitschrift die Vielfalt der Themen und die Differenziertheit, nicht zuletzt, wenn es um den Nahostkonflikt geht. Die Krönika gibt israelischen Stimmen Raum, die in den schwedischen Mainstreammedien sonst selten vorkommen. Ein jüdisches Blatt auch für nichtjüdische Leser: Das ist Jakubowskis Erfolgsrezept. »Gesellschaftliche Fragen, wie zum Beispiel Integration oder Fremdenhass, stellen wir stets in den jüdischen Erfahrungskontext«, fasst er sein Credo zusammen. »Darin sind wir schließlich Profis!«

www.judiskkronika.se

Gemeinden

Ratsversammlung des Zentralrats der Juden tagt in München

Das oberste Entscheidungsgremium des jüdischen Dachverbands kommt traditionell einmal im Jahr zusammen – am letzten Sonntag im November

 23.11.2024

Berlin

Nan Goldin eröffnet Ausstellung mit Rede über Gaza-Krieg

Die umstrittene Künstlerin nennt Israels Vorgehen »Völkermord« – »propalästinensische« Aktivisten schreien Museumsdirektor nieder

 23.11.2024 Aktualisiert

Erfurt

CDU, BSW und SPD legen in Thüringen Koalitionsvertrag vor

Wegen der Außenpolitik des BSW ist das Bündnis umstritten

 22.11.2024

Debatte

So reagiert die EU auf die Haftbefehle gegen Netanjahu und Gallant

Bei einem Besuch in Jordanien hat sich der EU-Außenbeauftragte Borrell zum Haftbefehl gegen Israels Regierungschef Netanjahu geäußert - mit einer klaren Botschaft

 21.11.2024

USA: »Wir lehnen die Zuständigkeit des Internationalen Strafgerichtshofs für die Situation grundsätzlich ab«

 21.11.2024

Niederlande: Wir würden Netanjahu festnehmen

 21.11.2024

Haftbefehl gegen Netanjahu: Kanada will Gericht folgen

 21.11.2024

Berlin

Scholz soll am Montag als Kanzlerkandidat nominiert werden

Nach dem Verzicht von Verteidigungsminister Boris Pistorius soll Bundeskanzler Olaf Scholz am kommenden Montag vom SPD-Vorstand als Kanzlerkandidat für die Neuwahl des Bundestags nominiert werden

von Michael Fischer  21.11.2024

New York

USA blockieren Gaza-Resolution, Israel bedankt sich

Israels UN-Botschafter Danon: »Resolution war Wegbeschreibung zu mehr Terror und mehr Leid«

 21.11.2024