von jane ulman
Wenn Rabbinerin Leah Lewis dieses Jahr in Los Angeles den Tu-Bischwat-Seder feiert, werden die Besucher der Leo-Baeck-Synagoge etwas über die besonderen Eigenschaften von Feigen, Oliven und Walnüssen lernen – und über den jüdischen Auf-
trag, Verwalter der Erde zu sein.
Denn die Menschen seien reif für ökologisches Bewußtsein, findet Lewis. Innerhalb von vier Monaten habe die Reformgemeinde, der 710 Familien angehören, ein zehnköpfiges »Grünes Team« ins Leben gerufen. Dabei wurden insbesondere Vorschläge zum Energiesparen geprüft.
Tu Bischwat ist der 15. Tag des Monats Schwat, der nach dem christlichen Kalender in diesem Jahr am 12. Februar bei Sonnenuntergang beginnt. Bekannt ist Tu Bischwat auch als »Neujahr der Bäume«, ein Feiertag, für den keine besonderen Mizwot vorgeschrieben sind. Zum Fest werden in der Diaspora und in Israel Bäume gepflanzt. In jüngster Zeit aber ist Tu Bischwat zum jüdischen »Tag der Erde« geworden, an dem es um Dinge wie energiesparende Glühbirnen, die Bevorzugung einheimischer Pflanzen, nachhaltige Landschaftsgestaltung oder Recyclingtonnen geht.
Die Idee, Synagogen umweltfreundlich zu betreiben, kann bis November 1978 zurückverfolgt werden. Damals stieg Rabbi Everett Gendler, der Vater der jüdischen Umweltschutzbewegung, auf das vereiste Dach des Emanuel-Tempels in Lowell, Massachusetts. Dort montierte er Sonnenkollektoren, die Strom für das Ner Tamid, das Ewige Licht, im Altarraum des Tempels liefern sollten. »Wir haben die Lampe fast direkt an die Sonne angeschlossen«, sagt Gendler, heute Rabbiner im Ruhestand.
Mittlerweile bemühten sich auch andere Gemeinden, ihre Gebäude auf einen ökologischen Betrieb umzustellen. Eine Reformsynagoge in Kensington, Maryland, der Emanuel-Tempel, gehört seit 1989 in Umweltbelangen zu den fortschrittlichsten im Land. Im Allgemeinen aber blieb in den USA das jüdische Interesse an ökologischen Themen eher bescheiden. Das änderte sich erst nach der UNO-Konferenz für Umwelt und Entwicklung im Jahr 1992, dem »Umweltgipfel«.
Ein Jahr später wurde die Koalition »Umwelt und jüdisches Leben« gegründet. Danach entstand in Zusammenarbeit mit GreenFaith, einer religionsübergreifenden Umweltorganisation in New Jersey, die Initiative »Umweltbewußte Synagoge«. »Wir streben an, daß sich das Denken der Menschen zu Hause verändert«, sagt Barbara Lerman-Golomb, stellvertretende Direktorin der Koalition. »Wir möchten, daß allen Beteiligten am Projekt bewußt wird, daß es sich um ein ethisches, moralisches und jüdisches Anliegen handelt.«
Für viele Synagogen bedeutet umweltbewußtes Wirtschaften nicht nur die Erfüllung eines spirituellen Gebots: Es geht auch um Geld. Lee Wallach, Mitbegründer der Kalifornien-Koalition, schätzt, eine Synagoge könne bei energiebewußtem Betrieb je nach Größe und Nutzung bis zu 40.000 Dollar im Jahr einsparen.
Bei Ahavath Beth Israel in Boise/Idaho, ist es Rabbi Dan Fink, der seinen Gemeindemitgliedern mit dem Ansinnen eines ge-schärften Umweltbewußtseins in den Ohren liegt. Unter der Führung von Fink, Mit-
verfasser des Buchs Laß die Erde dich die Tora lehren, trieb Ahavath Beth Israel die Idee des Recyclings auf die Spitze, als sie ihr Gotteshaus als Ganzes an einen anderen Ort versetzte. Die Gemeinde mit 190 Familien brauchte dringend ein größeres Gebäude, wollte ihre 108 Jahre alte Synagoge, deren maurischer Baustil sie zu einer Sehenswürdigkeit macht, aber nicht aufgeben. Die Lösung vor zwei Jahren bestand darin, den 60 Tonnen schwere Bau auf einen Tieflader zu hieven und in einen drei Meilen entfernten Ort zu versetzen. Auf diese Weise, sagt Fink, wurde das Gebäude erhalten und das gesamte Material wiederverwertet. Darüber hinaus wurde die Infrastruktur des alten Gebäudes erneuert. Heizung, Klimaanlage und Beleuchtung ver-
brauchen jetzt viel weniger Energie.
Zur Verantwortung für die Umwelt bekennen sich viele jüdische Schriften, was von dem Begriff »al taschit«, einer Warnung vor Vergeudung, herrührt. Das zwingendste Argument für den Schutz der Umwelt ist ein Midraschkommentar zu Kohelet Rabba (7,13): Als Gott den Menschen erschuf, zeigte Er ihm den Garten Eden und warnte: »Seht euch vor, daß ihr meine Welt nicht verderbt und zerstört, denn wenn ihr es tut, wird es niemanden geben, der sie nach euch wieder instand setzt.«