Wie eine typische christliche Kirche mit Schiff und Turm sieht der moderne Sakralbau im Nordwesten Hannovers nicht aus. Aber bislang ist auf der evangelischen Gustav-Adolf-Kirche in Hannover-Leinhausen das christliche Kreuz deutlich sichtbar. Bis Ende kommenden Jahres soll der vor 35 Jahren errichtete Gebäudekomplex einen ganz anderen Charakter erhalten. Bis dahin soll in dem dann ehemaligen Kirchengebäude die neue Synagoge der Liberalen Jüdischen Gemeinde Hannover entstehen. Und nach den Worten der Vorsitzenden des Landesverbandes der Israelitischen Kultusgemeinden Niedersachsen, Katarina Seidler, sollen die Gemeindegebäude auch ein Zentrum des liberalen Judentums in Deutschland werden.
Vergangene Woche haben die evangelische Kirchengemeinde Hannover-Leinhausen und die Stiftung Liberales Judentum in Hannover einen Vorvertrag über den Verkauf des Gebäudekomplexes abgeschlossen. Die evangelische Gemeinde, die angesichts knapper Finanzmittel die Gustav- Adolf-Kirche aufgeben muß, veräußert demnach die Kirche und deren Nebengebäude für 350.000 Euro an die Stiftung. Die Gemeinde ist dabei froh, daß durch den Verkauf »eine religiöse Weiternutzung möglich ist« und ein Abriß vermieden wird.
Das Klima bei den Verkaufsverhandlungen beschreibt Gemeindepastorin Sigrid Lampe-Densky denn auch als von Anfang an positiv: »Wir sind erfreut, daß in diesen Gebäuden das liberale jüdische Leben nach dem Holocaust wieder eine Heimstatt finden wird«, sagt sie. Dennoch hat man sich nach Angaben von Kirchenvorstand Horst Schade in den Verhandlungen auch zusammenraufen müssen. Dabei sei vor allem »der Kaufpreis von erheblicher Bedeutung gewesen«, meint Schade. Die 350.000 Euro wird nämlich nicht die hannoversche Landeskirche erhalten. Das Geld soll bei der Gemeinde Leinhausen für Investitionen in andere Kirchengebäude verbleiben.
Nach Angaben Katarina Seidlers ist in Hannover die mit 534 Mitgliedern mit Abstand größte deutsche liberale Gemeinde beheimatet. In der neuen Synagoge in Leinhausen werde die Union progressiver Juden ihre Bundesgeschäftsstelle einrichten, sagt Seidler. In dem Gebäudekomplex ist auch ein Zentrum für jüdische Studien, Kultur und gesellschaftlichen Dialog geplant.
Vor dem Verkauf wird die evangelische Gemeinde ihr Kirchengebäude entwidmen und Bibel und Abendmahlsgeräte hinaustragen. Ein geweihter Raum sei die Kirche nach evangelischem Verständnis nicht, sagte Pastorin Lampe-Densky. Das Gebäude selbst sei bis auf ein buntes Fenster mit christlichen Motiven, religiös neutral.
Die liberale jüdische Gemeinde rechnet dennoch mit erheblichen Umbaukosten. Insgesamt habe man rund eine Million Euro veranschlagt, sagt Gemeindevorsitzende Ingrid Wettberg. Ein Großteil der Umbaukosten werde durch Sicherheitsmaßnahmen verursacht, die das niedersächsi- sche Landeskriminalamt verlangen werde. So werde man alle Fensterscheiben mit schußhemmender Folie versehen müssen.
Die 1995 gegründete jüdische Gemeinde hofft denn auch auf finanzielle Unterstützung des Landes Niedersachsen und der Stadt und der Region Hannover. Die Stiftung Liberales Judentum Hannover, die den Gebäudekomplex nun erwirbt, wurde eigens gegründet, um das Gemeindezentrum mit Synagoge zu errichten und zu unterhalten. Vorstandsvorsitzende der Stiftung ist die Gemeindevorsitzende Wettberg. Den Vorsitz des Stiftungskuratoriums hat Katarina Seidler übernommen. Dem Beirat der Stiftung gehören auch niedersächsische Politiker an, zum Beispiel Hannovers Oberbürgermeister Herbert Schmalstieg (SPD), der niedersächsische FDP-Fraktionschef Philipp Rösler und der Sozialdezernent der Region Hannover Erwin Jordan (Grüne). Unterstützt wird die Stiftung vom Förderverein Chaverim, zu dem sich führende Vertreter aus Politik, Kultur oder Wissenschaft zusammengeschlossen haben.
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