Überwiegend
ratlos
Eine Diskussion über
die Situation
im Nahen Osten
Fünf Wochen nach Beginn des Krieges zwischen Israel und der Hisbollah hatte die Wochenzeitung Jungle World zusammen mit Yad Achat, einem Netzwerk zur Förderung des Dialoges und Austausches mit Israel, am vergangenen Donnerstag nach Kreuzberg geladen, um über die Situation im Nahen Osten nach der Ausrufung des Waffenstillstandes zu diskutieren. Die Zuhörer im vollbesetzten Saal der Jerusalem-Kirche verfolgten eine spannende Diskussion zwischen Sylke Tempel, Historikerin und freie Journalistin, Ralph Ghadban, im Libanon gebürtiger Islamwissenschaftler, und Eldad Beck, Deutschland-Korrespondent der israelischen Tageszeitung Yedioth Ahronoth.
Eldad Beck erläuterte, was der Krieg für Israel bedeute. Über die alltägliche Bedrohung durch den Terror im öffentlichen Raum hinaus habe er gezeigt, daß man auch im eigenen Zuhause nicht mehr sicher sei. Im Land herrsche Enttäuschung vor, da man nicht von einem klaren Sieg sprechen könne. Das erklärte Kriegsziel, die Hisbollah vollständig zu zerstören, sei nicht erreicht worden. Daher werde derzeit rege diskutiert, ob die politische und militärische Führung nicht versagt habe, berichtete Beck.
Ralph Ghadban betonte, daß die Hisbollah nicht ohne Absprache mit dem Iran agieren würde. Der Zeitpunkt der Auseinandersetzung sei vom Iran vorgegeben worden und habe zudem auch Syrien sehr gut gepaßt. Er komme zu dem Fazit, daß Israel den Krieg klar verloren habe. Da man die Hisbollah als einen Teil der iranischen Armee begreifen müsse, liege die Lösung des Konflikts nicht im Libanon, sondern im Iran, sagte Ghadban.
Sylke Tempel wies daraufhin, daß es sich bei der Hisbollah nicht – wie oft behauptet – um einen Staat im Staate handele. Vielmehr wolle sie das System im Libanon unterminieren. Sie sprach von einem »Kidnapping des Staates«, um den Libanon in einen »Mini-Iran« umzuwandeln. Eine internationale Truppe müsse die Hisbollah jetzt am Wiederaufbau hindern, um zu verhindern, daß die Hisbollah sich als soziale Organisation zeigen kann, was ihr als Deckmantel für den Terrorismus diene.
Herrschte in den Grundpositionen Einigkeit, waren sich die Teilnehmer der Diskussion leider auch in der Ratlosigkeit einig, wie es denn weitergehen solle. An Sylke Tempel blieb es, der Situation wenigstens etwas Positives abzugewinnen. Sie setzte ein wenig Hoffnung in die libanesische Armee. Die sei eventuell dazu bereit und in der Lage, im Zedernstaat den Weg in eine stabilere Zivilgesellschaft im Nahen Osten zu sichern. Daniel Kilpert