von Sabine Brandes
Die Zweige biegen sich bis auf die Erde vom Gewicht der Früchte. Dunkelblau schimmern sie in der Sonne. Ein für Israel ungewöhnliches Bild. Denn hier, am Zipfel des Golans, knapp hundert Meter von der Grenze zu Syrien entfernt, wachsen die einzigen Heidelbeeren des Landes. Seit 14 Jahren baut der Kibbuz El Rom die Früchte an und machte damit ein gutes Geschäft. Bis zum 12. Juli.
Obwohl im Golan die wenigsten Raketen einschlugen, nicht viel mehr als 50 insgesamt, setzte kaum ein Mensch einen Fuß in diese Gegend. »Die Leute machen keinen Unterschied: Norden ist Norden«, sagt Raz Livne vom Kibbuz. »Selbst- pflücken als Familienerlebnis« hatte das Motto vor dem Krieg gelautet. »Das war schön mitzuerleben, denn viele Israelis probierten bei uns ihre ersten Heidelbeeren überhaupt. Sie waren immer so verwundert über den außergewöhnlichen Geschmack. Vor allem die Kinder hatten riesigen Spaß.« Auch russische Einwanderer kamen gern. »Sie kennen die Beeren aus ihrer alten Heimat und nahmen kiloweise davon mit nach Hause.«
Der saure Boden und das relativ kühle Klima der Golanhöhen sind die Gründe für das gute Gedeihen. Doch nun vergammeln die Beeren an den Büschen. Auf 8.000 Quadratmetern stehen die bis zu zweieinhalb Meter hohen Pflanzen in Reih und Glied. Es gibt vier verschiedene Sorten, von süß-sauer bis zuckersüß. Die prallen Früchte zerplatzen auf der Zunge und verströmen sofort ihr spezielles Aroma.
Pflücken lassen sei keine Alternative, denn für jedes Kilo müsse er den drusischen Arbeitern mindestens zwei Dollar zahlen, sagt Livne. Auf dem Markt bekommt er maximal neun Dollar. Wenn er Pflück-, Transportkosten und sonstige Aufwendungen abziehe, bliebe kaum etwas übrig. Außerdem seien die meisten blauen Beeren bereits zu reif, um sie noch zu lagern. Nach drei Tagen im Kühlschrank sind sie matschig.
Auch Restaurants wollten die Beeren nicht haben. Denn gefrorene Früchte sind schon für zwei Dollar pro Kilo zu bekommen. »Da die meisten Israelis den Geschmack frischer Heidelbeeren ohnehin nicht kennen, fällt es auch niemandem auf«, weiß Livne. Die Verluste für den Kibbuz belaufen sich schätzungsweise auf mehrere Hunderttausend Schekel.
Normalerweise drängten sich an den Feriensamstagen Menschenmassen in den Feldern. An Tagen wie diesen kamen bis zu 1.000 Leute nach El Rom, Touristen aus dem Ausland wurden mit Bussen gebracht. Am vergangenen Schabbat aber pflückten gerade einmal 80 Kunden, am Sonntag nur zehn. Und mehr als zwei Tonnen dicke Beeren hängen noch immer an den Zweigen. »Heidelbeeren sind wunderbare Früchte«, sagt der Kibbuznik, »vor allem in Israel. Und es tut mir weh, sie verrotten zu sehen.«