von Jan Opielka
Der Vorsitzende des Verbands jüdischer Konfessionsgemeinden (ZGWZ) in Polen, Piotr Kadlcik, ist nach vier Jahren von seiner Funktion als Mitglied des Rats zum Schutz der Erinnerung von Kampf und Märtyrertum (ROPWiM) entbunden worden. Grund dafür ist, dass Kadlcik seine sogenannte Lustrationserklärung, die über mögliche Zusammenarbeit mit dem kommunistischen Regime Auskunft geben soll, nicht eingereicht hatte. Kadlcik selbst gibt an, offiziell als Geschädigter von Geheimdiensten der Volksrepublik zu gelten. Er hat ein entsprechendes Schreiben an den polnischen Premier gesendet, das dies offiziell bestätigt, aber nach eigener Aussage bislang keine Antwort erhalten. Allerdings weigert er sich nach wie vor, das Dokument mit der Lustrationserklärung abzugeben.
Der ROPWiM hat die Aufgabe, Personen, Orte und Ereignisse des polnischen Kampfes in kollektiver Erinnerung zu halten, etwa durch das Errichten von Denkmälern oder das Initiieren von Ausstellungen. Kadlcik sollte im Rat insbesondere die Perspektive polnischer Juden repräsentieren.
In der Auseinandersetzung um seine Suspendierung als Ratsmitglied sprechen die Fakten allerdings gegen den 46-jährigen jüdischen Funktionär – wenn auch nicht gegen die Integrität seiner Person. Denn es geht nicht darum, dass gegen ihn ein Verdacht über eine Tätigkeit für das kommunistische Regime bestünde. Doch die Lustration ist für alle Anwärter öffentlicher Ämter schon seit Jahren gesetzliche Pflicht. Nach Angaben des Instituts für Nationale Erinnerung (IPN), einer Art polnischer Birthler-Behörde, ist die Sache denn auch völlig klar – zu Ungunsten von Kadlcik: Das Lustrationsgesetz sei vom polnischen Parlament verabschiedet worden, das Formular sei vorgegeben, Ausnahmen gäbe es nicht.
Deutlicher sagt es der Generalsekretär des ROPWiM, Andrzej Przewoznik, der Kadlcik von seiner Funktion entband. »Alle 25 Ratsmitglieder haben eine Lustrationserklärung abgegeben, nur Herr Kadlcik nicht«, sagte Przewoznik auf Anfrage der Jüdischen Allgemeinen. Kadlcik, der vier Jahre Mitglied im Rat gewesen sei, habe zudem an keiner einzigen Sitzung des Rates teilgenommen, so Przewoznik. Gleichwohl arbeite der Rat sehr intensiv mit vielen jüdischen Organisationen in Polen zusammen. Unter dem Vorsitz Wladyslaw Bartoszewskis, des ehemaligen polnischen Außenministers und heutigen Staatssekretärs und außenpolitischen Beraters des polnischen Ministerpräsidenten, würden die Anliegen polnischer Juden stets berücksichtigt, so Przewoznik. Die Amtsperiode des Rates endet Mitte des Jahres.
»Aktuell kann ich mir eine Rückkehr in den Rat nicht vorstellen, daher werde ich die Entscheidung auch nicht anfechten«, sagte Kadlcik der Jüdischen Allgemeinen und verwies auf die ausgesprochen schlechte Zusammenarbeit mit Przewoznik.
Die Posse um Kadlcik liegt jedoch nicht in aktuellen Auseinandersetzungen polnischer Juden mit der kommunistischen Vergangenheit begründet. Laut der Historikerin Alina Cala vom Jüdischen Historischen Institut in Warschau gibt es anders als etwa in Tschechien »weder in den Konfessionsgemeinden noch in der Soziokulturellen Gesellschaft der Juden in Polen (TSKZ) Debatten oder Reflexionen« über mögliche Verstrickungen jüdischer Funktionäre in den kommunistischen Staatsapparat.
Kadlcik selbst relativiert seine Weigerung mittlerweile etwas. »Wenn sich eine Person wie Wladyslaw Bartoszewski, vor der ich unbegrenztem Respekt habe, bei mir melden und sagen würde: ›Mach keinen Unsinn, unterschreib die Papiere‹, dann würde ich das wohl machen.«