von Carsten Dippel
In feinem cremefarbenem Putz präsentiert sich das alte Gutshaus. Zur Gartenseite ein kleiner Park, gleich nebenan die steinerne Dorfkirche. Schloss Gollwitz, ein Idyll in der Nähe Brandenburgs an der Havel, erstrahlt in neuem Glanz. Nach aufwendiger Restaurierung wurde das denkmalgeschützte Haus am Sonntag als Begegnungsstätte für jüdische und nichtjü- dische Jugendliche eröffnet. Fortan sollen hier mit Bildungs- und Kulturprojekten »Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus« bekämpft werden, wie es der Vorstand der Trägerstiftung, Peter-Andreas Brand ausdrückt. Eine Idee, die vor Jahren entstand, nachdem Gollwitz in die Schlagzeilen geraten war.
1997 war die Landesregierung unter Manfred Stolpe auf die Idee gekommen, in dem leerstehenden Gutshaus, das zu DDR-Zeiten einen Kindergarten und eine Schule beherbergte, 60 jüdische Einwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion unterzubringen. Ausgerechnet in einem Dorf mit schlechter Verkehrsanbindung und weitab jüdischer Gemeindestrukturen. Für einen Aufschrei der Empörung sorgte damals die Haltung der Gemeinde Gollwitz, die sich vehement gegen die Unterbringung der Einwanderer sperrte. Schnell war von einer antisemitischen Reaktion die Rede, zumal der Osten für Rechtsextremismus ja besonders empfänglich sei, so das verfestigte Vorurteil. Immerhin: Der umstrittene Beschluss gab den Impuls, ohne den die nun eingeweihte Begegnungsstätte nicht denkbar wäre.
Heute fällt der Blick auf den damaligen Skandal unaufgeregter aus. Längst haben sich die Wogen geglättet. Wenn man den wohlwollenden Reden zur Eröffnung Glauben schenken darf, dann ist die Begegnungsstätte Gollwitz ein gelungenes Beispiel für bürgerschaftliches Engagement, wenn, wie in diesem Fall, alle Beteiligten an einem Strang ziehen. Erfolgreich warb die eigens für das Projekt ins Leben gerufene »Stiftung Begegnungsstätte Gollwitz« um Geld und Anerkennung. Die breite Unterstützung für das Projekt spiegelt sich nicht zuletzt in der Liste der Sponsoren und Spender. Selbst die finanzschwache Dorfgemeinde hat Geld gegeben, ebenso das Land Brandenburg und der Bund. Für Matthias Platzeck, Brandenburgs Ministerpräsident, ist Schloss Gollwitz denn auch ein gutes Beispiel, wie im »ländlichen Raum Schätze geborgen werden können«. Das Schloss habe in der Gegend schon im- mer eine prägende Rolle gespielt, und dies gelte nun auch für den Blick nach vorn. Platzeck sieht hier ein Stück jener stets eingeforderten offenen Gesellschaft entstehen.
Unter der Obhut der Deutschen Stiftung Denkmalschutz konnte das baufällige Schloss liebevoll restauriert werden. Und auch die mittlerweile von der Stadt Brandenburg eingemeindeten Gollwitzer ha- ben an ihrem nun so aufmerksam beobachteten Gutshaus Gefallen gefunden. Vor wenigen Jahren noch war dessen Zukunft allein aus baulichen Gründen ungewiss.
Damit die Jugendbegegnungsstätte nicht zum Fremdkörper in der 400-Seelengemeinde wird, sollen die Dorfbewohner in die Arbeit des Hauses eingebunden wer- den. Ortsvorsteherin Nicole Näther, die das vornehme Gutshaus noch aus ihren Schultagen kennt, kann sich hier viele Aktivitäten vorstellen. Von der Nutzung des Wintergartens für Bastelnachmittage mit den Dorfkindern, bis zu Englischkursen oder Seniorenabenden.
Stolz verwies Platzeck darauf, dass in Gollwitz bei den letzten Wahlen keine einzige Stimme auf rechtsextreme Parteien entfiel. Die Gemeinde hat viel dafür getan, ihren Ruf wiederherzustellen. Man darf gespannt sein, ob sich das alte Gutshaus tatsächlich mit jenem bei der Eröffnung beschworenen Geist füllen wird. Wie wird das ehrgeizige Projekt von der Gemeinde angenommen? Wird es den Austausch zwischen Dorf und Begegnungsstätte geben? Immerhin wird ein wenig internationales Flair in das märkische Idyll einziehen, wenn etwa Jugendliche aus den USA oder Israel nach Gollwitz kommen.
»Fremdheit überwinden« lautet das Motto, unter dem Jugendliche im Alter zwischen zwölf und 26 Jahren hier übernachten (60 Betten in 22 Gästezimmern) und kennenlernen sollen. In die Seminararbeit werden nach den Wünschen der Stiftung auch neueste Erkenntnisse der Antisemitismusforschung einfließen. Zudem zielt sie auf einen Trialog zwischen muslimischen, jüdischen und christlichen Jugendlichen. Bei aller Ernsthaftigkeit der Arbeit soll das Schloss vor allem aber ein »Haus des Lachens und der Freude« sein, wünscht sich Brand.
Schloss Gollwitz könnte noch in einem ganz anderen Sinne einen Anstoß geben. Josef Schuster, der Zentralratspräsidentin Charlotte Knobloch vertrat, wartete mit einer überraschenden Idee auf: Leerstehende Gutshäuser gäbe es diesseits der Elbe ja noch jede Menge. Ob nicht das Land Brandenburg, so sein fragender Blick in Richtung des Ministerpräsidenten, auch die erste Jüdische Akademie Deutschlands beherbergen wolle? Einen geeigneten Ort habe man dafür schon gefunden: Das ehemalige jüdische Erziehungsheim in Lehnitz bei Oranienburg.
www.stiftunggollwitz.de