von Sabine Brandes
Es soll kein hehrer Wunsch bleiben. Kein Traum, der lediglich auf dem Papier Koexis-
tenz vorgaukelt. Bald schon sollen sich die Menschen hier, an diesem idyllischen Flecken im Jordantal, wahrhaftig begegnen. Sollen sich ihre Hände in der Realität schütteln können, im Vorbeigehen »Schalom« und »Salam« zurufen, einen Becher Hummus teilen. Der geplante Friedens-park um den Jordanfluss soll sich grenzüberschreitend in beide Länder erstrecken und für Israelis wie Jordanier gleichermaßen zugänglich sein.
Ginge es nach Gidon Bromberg, könnten die Arbeiten sofort losgehen. Doch noch sind jede Menge bürokratischer und umwelttechnischer Hürden zu nehmen, Verantwortliche und Staatsoberhäupter zu überzeugen. »Realistisch«, sagt er, »ist ein Beginn innerhalb der nächsten zwei Jahre«. Bromberg ist Leiter der Umweltschutzgruppe FOEME (Friends of the Earth – Middle East) und mit seinem Team Initiator des Projekts. Unterstützt wird es international unter anderem von der britischen Regierung, Greencross Frankreich und der amerikanischen Blaustein Stiftung.
Unermüdlich preist FOEME die Vorteile eines solchen Parks an – allen voran die Wiederbelebung des Flusses, der auf beiden Seiten immense Symbolkraft hat und für Millionen von Menschen in der ganzen Welt heilig ist. Heute führt das 200 Kilometer lange Gewässer, das sich vom See Genezareth bis zum Toten Meer erstreckt, lediglich noch zehn Prozent seines ursprünglichen Wassers. Er sei derzeit nur noch traurig-trübes Rinnsal und Abwasserkanal, macht der Umweltexperte deutlich. Munqeth Mehjar, Chef der jordanischen Naturfreunde, weiß, dass der Fluss für seine Landsleute eine Herzensangelegenheit sei: »Wir tragen das Wort ›Jordan‹ in unserem Landesnamen. Wie können wir ihn da verkommen lassen? Das ist etwas ganz Persönliches.«
Vergangene Woche trafen sich Lehrer und Studenten der berühmten amerikanischen Yale Universität mit Kollegen der Jerusalemer Kunsthochschule Bezalel sowie israelischen, palästinensischen und jordanischen Architekten im Jordantal, um bei einem gemeinsamen Design-Workshop an der Architektur des Parks zu tüfteln. Die Ergebnisse werden sowohl in Amman als auch in Jerusalem vorgestellt.
Der Friedenspark soll auf einer Fläche von insgesamt vier Quadratkilometern an beiden Ufern des Flusses – sowohl auf israelischer wie jordanischer Seite – entstehen. Zehn Kilometer südlich der Südspitze des Sees Genezareth, am Zusammenfluss des Jordans und Jarmuks, wird er von Naharayim, der heutigen Friedensinsel, bis nach Gescher und in Jordanien bis nach Bakura verlaufen. In Gescher (Hebräisch: Brücke) befinden sich die Schmuckstücke des Parks, die drei Brücken: Ein 2.000 Jahre alter von den Römern gebauter Viadukt, eine ottomanische Eisenbahnbrücke, auf der einst Züge von Haifa bis nach Damaskus ratterten, sowie ein Busübergang aus der Zeit des britischen Mandats. »Sie benötigen einige Reparaturarbeiten, aber sie stehen allesamt«, erklärt Bromberg voller Enthusiasmus.
Ebenfalls eingebettet in den Friedens-park werden eine Mamelucken-Karawanserei und das ehemalige Elektrizitätswerk Rutenberg, das zu Mandatszeiten bis zu 40 Prozent des gesamten Stromes im Land lieferte. Sämtliche Bauten sind seit 1948 unberührt. Das alte Werk wird den Plänen nach zukünftig als Besucherzentrum und Museum dienen. Die Unterkünfte der Ar-
beiter werden in sogenannte »Eco-Lodges«, Ferienunterkünfte nach ökologischen Standards umgewandelt, andere Gebäude in Kulturzentren und Begegnungsstätten. Bromberg freut sich bei dieser Aussicht: »Der Jordan-Friedenspark wird der erste grenzüberschreitende Park im Nahen Os-
ten werden. Es gibt nichts Vergleichbares in der gesamten Region. Es ist ein außergewöhnlich schönes Gebiet mit vielen Sehenswürdigkeiten. Wenn daraus ein echter binationaler Treffpunkt entsteht, in dem Israelis und Jordanier gemeinsam Urlaub machen und Frieden bauen, ist das etwas Wunderbares.«
Außerdem hat FOEME vor, den einstigen Stausee des Stromwerkes wiederzubeleben, um Zugvögel anzulocken. Ähnlich des Hula-Tals im Norden von Israel soll der Friedenspark ein Vogelparadies werden. Und eines Tages wird vielleicht gar wieder eine kleine Eisenbahn über die alte Brücke fahren und die Besucher beider Länder im Park schaukelnd hin- und hertransportieren.
Eine Wirtschaftlichkeitsanalyse bescheinigt dem Vorhaben, dass es realis-tisch ist. Die veranschlagten Kosten von etwa neun bis elf Millionen Euro hielten sich durchaus im Rahmen, meinen Bromberg und andere Experten. Die Studie geht von 250.000 Besuchern in den ersten fünf Jahren aus und nach internationalem Bekanntwerden von einer halben Million Gäste im Jahr. Der Park soll den umliegenden Gemeinden in beiden Ländern durch den Tourismus neue Einkunftsmöglichkeiten liefern.
Derzeit ist lediglich das Gebiet bei Naharayim mit der Friedensinsel touristisch erschlossen, das jedoch nur von israelischer Seite zugänglich ist. Das Land auf jordanischer Seite ist militärisches Sperrgebiet, auf die Genehmigung des Kabinetts für eine Umwandlung in einen Naturpark und die anschließende Zustim-
mung von König Abdullah II. wird noch gewartet. Bromberg ist zuversichtlich: »Wir sehen die klare Unterstützung der Menschen auf beiden Seiten, die sagen: ›Das ist es, was wir wollen‹, auch die Bürgermeister der entsprechenden Gemeinden sind allesamt dafür.«
Weder Israelis noch Jordanier werden sich für einen Besuch im Park ein Visum besorgen müssen. Noch nicht einmal einen Pass brauchen sie. Lediglich den Wunsch, die Nachbarn jenseits der Grenze endlich ein bisschen besser kennenzulernen.