von Harald Loch
Ein Höhepunkt der Leipziger Frühjahrsbuchschau findet gleich am Eröffnungstag, dem 13. März, statt. Um 16 Uhr wird der Preis der Buchmesse verliehen. In der Kategorie Sachbuch ist unter anderem Irina Liebmanns Wäre es schön? Es wäre schön! nominiert. Die Autorin erzählt das Leben ihres Vaters, des deutsch-jüdischen Kommunisten Rudolf Herrnstadt. Der Chefredakteur des »Neuen Deutschland« und Gegenspielers Walter Ulbrichts wurde 1954 aus der SED ausgeschlossen. Während die Jury berät, ob Liebmanns Buch oder ein anderes den Preis erhalten soll, kann man in der Zwischenzeit bei der Live-Gesprächsshow »Blaues Sofa« die israelische Komponistin Ella Milch-Sheriff erleben, die in ihrem neuen Buch ebenfalls von ihrem Vater erzählt.
Fast 2.000 Lese-, Diskussions- und Signierveranstaltungen wird es von Donnerstag bis Sonntag tagsüber auf der Messe und abends in der Stadt geben. Schon Tradition hat die von Bertelsmann gesponserte Reihe »Jüdische Lebenswelten«. Sie beginnt am 13. März um 18 Uhr in der Alten Nikolaischule mit Nava Semels Die Ratte lacht. Anschließend liest Margot Friedländer aus ihrer Autobiografie Versuch dein Leben zu leben, gefolgt von Sylke Tempels Israel. Qual der Wahl: Zeitgleich stellt um 20 Uhr in der Sächsischen Akademie der Wissenschaften Michail Ryklin sein neues Buch Kommunismus als Religion vor. Der Moskauer Philosoph beschreibt darin unter anderem die antisemitische Zusammenarbeit zwischen Staatsmacht und orthodoxer Kirche in der Sowjetunion.
Am Freitag geht es in der Alten Nikolaischule um 18 Uhr weiter mit Thomas Lack-manns Mendelssohn-Biografie Der Sohn meines Vaters, gefolgt von Gila Lustiger mit Herr Grinberg & Co und Werner Sonnes Roman Wenn ich dich vergesse, Jerusalem. Am Sonnabend um 17 Uhr erklären Eli Bar-Shen und Heike Specht Warum Schabbat schon am Freitag beginnt.
Das sind wohlgemerkt nur einige von Dutzenden Lesungen und Veranstaltungen. Eine sei hier noch erwähnt: Am Samstag, den 15. März, liest um 19.30 in der Kunsthalle der Sparkasse der deutsch schreibende Rumäne Catalin Dorian Florescu aus seinem Roman Zaira. Hoffentlich wählt er die Passage mit dem fabelhaften László Goldmann, der seine schützende jüdische Hand während der kommunistischen Diktatur in Rumänien über eine ganze Familie legt, die ihm nicht immer couragiert zur Seite gestanden hat.
Noch zwei Tipps für den Messerundgang. Am Stand des Berlin Verlags geht vor lauter Jonathan-Littell-Stapeln Boris Saidmans wunderschöner Heimweh-Roman Hemingway und die toten Vögel ein wenig unter. Zu Unrecht. Der aus Moldawien stammende Autor erzählt von der Rückkehr eines aus der Ukraine nach Israel ausgewanderten Juden ins heimische Djnestrograd.
Bei Insel sollte man sich Zeit für Die Frau unseres Lebens von Carla Guelfenbein nehmen, deren Urgroßeltern vor den Pogromen in der Ukraine nach Chile auswanderten, wo die Autorin heute wieder lebt, nachdem sie vor Pinochets Diktatur nach England geflüchtet war. Jüdisches Leben geht immer rings um die Welt – erst seit 60 Jahren gibt es so etwas wie einen Mittelpunkt, der aber noch lange nicht zur Ruhe gekommen ist.
www.leipziger-buchmesse.de
www.mdr.de/leipzig-liest-2008/