von Jonathan Rosenblum
Dalia Sarah Marcus ist Autorin von Wanted: Egalitarian Jewish Marriage (Gesucht: die egalitäre jüdische Ehe). Sie will Dinge, die sich gegenseitig ausschließen: eine Hochzeitszeremonie, die ihr moralisches Recht als autonomes Individuum bestätigt, sich die Werte, die ihr gefallen, selbst aussuchen, und sie gleichzeitig mit der jüdischen Tradition verbinden. Der Untertitel ihrer Arbeit bringt es auf den Punkt: Junge Menschen sollten nicht gezwungen werden, zwischen ihren eigenen Werten und ihrem Jüdischsein zu wählen.
Zu Marcus’ Leidwesen aber zwingt die jüdische Tradition genau dazu. Denn keine Idee ist den Vorstellungen, von denen sich das jüdische Volk seit dem Sinai leiten läßt, mehr entgegengesetzt als die vom Individuum als oberste moralische Instanz in seinem beziehungsweise ihrem Universum.
Die Juden definieren sich über ihre Verbundenheit mit Gott. Form und Wesen dieser Verbundenheit werden jedoch von Ihm, nicht von uns festgelegt. Der Begriff Mizwa (Gebot) setzt sowohl einen Gebieter voraus, als auch einen, dem geboten wird. Die hebräische Wurzel des Worts bedeutet Verbindung, denn durch die Befolgung der Gebote Gottes verbinden wir uns mit Ihm. Gott wird auch HaMakom, der Ort, genannt, weil unser Leben in dem Ausmaß an Bedeutung gewinnt – und die Aussicht auf die Ewigkeit, wenn wir Ihn aufsuchen.
In einer anderen traditionellen Beschreibung ist Gott die Quelle des Lebens, ein ewiger Brunnen, und auch wir haben Teil am ewigen Leben, wenn wir uns mit diesem Brunnen verbinden. Die Verbundenheit mit Gott – und nicht die Autonomie des Individuums – steht im Zentrum des Judentums. Der Nachdruck, mit dem das Judentum die Verbundenheit mit Gott durch die Mitzwot betont, wurde zum Anknüpfungspunkt für jede Kritik am Judentum von heidnischer Zeit, von Paulus über Kant bis zu den Reformbewegungen.
Eine paßgenau zugeschnittene Zeremonie – ein Pastiche all jener jüdischen Elemente, die der Teilnehmer gewillt ist, in seine Zeremonie aufzunehmen – kann einen Menschen nicht der jüdischen Tradition verbinden. Denn sie ist im Wesentlichen eine Feier des Selbst, nicht eine Feier Gottes. Der Kritiker David Gelernter hat diesen Aspekt moderner jüdischer Zeremonien bereits 1996 in einem Aufsatz des Magazins Commentary gründlich analysiert.
Gelernter kommentiert eine Zeremonie, bei der Braut und Bräutigam einander versprachen, »dir bei der persönlichen Entwicklung als Mensch zu helfen«, und beklagt, daß die jüdische Hochzeit dem Paar die Gelegenheit geboten hätte, sich mit etwas Größeren als dem eigenen Selbst zu verbinden: in Kontakt zu treten mit Millionen von jüdischen Bräuten und Bräutigamen durch die Jahrtausende. Sie wiesen das Angebot jedoch zurück, weil »es im modernen Amerika nichts gibt, das größer als man selbst ist«. In den Worten Gelernters: »Das infantile Beharren darauf, daß das religiöse Ritual sich dem Individuum anpassen muß und nicht umgekehrt, ist der Wesenskern moderner amerikanischer Kultur und erdrosselt das Judentum allmählich.«
Die solcherart entstandenen Zeremonien sind bar jedes religiösen Geheimnisses. Es gibt kein Erschaudern vor der Anwesenheit eines transzendentalen Wesens jenseits der eigenen kümmerlichen Wahrnehmung. Alles wird verstanden, alles wird mit der Elle des neuesten politischen oder spirituellen Trends gemessen.
Sofern diese Zeremonien überhaupt Notiz von Gott nehmen, lautet die unausgesprochene Botschaft: Wenn Du, Gott, eine Beziehung zu mir haben willst, muß es unter den von mir aufgestellten Bedingungen sein. Können Sie sich vorstellen, wie jemand, der zum Ritter geschlagen werden soll, die englische Königin wissen läßt, daß er die Zeremonie als erniedrigend empfinde und darauf bestehe, eine neue zu entwerfen, die ihm besser gefalle? Zu Gott aber sagen wir, die wir keinen anderen Maßstab kennen außer der angenommenen Lauterkeit unserer Motive, ständig genau das.
Ein Midrasch erfaßt das Wesen des Unterschieds zwischen dem jüdischen und dem heidnischen Ritual. Unser Gott steht über uns, denn es heißt: »Und siehe, HaSchem stand oben«, (1. Buch Moses 28,13), während sie über ihren Göttern standen, denn es heißt; »und siehe, er (der Pharao) stand am Nil« (1. Buch Moses 41,1). Die Ägypter beteten den Nil an. Die Heiden begriffen ihre Götter als Instrumente ihrer eigenen Wünsche, die sich zum Erreichen der eigenen Zwecke manipulieren ließen. Die Juden haben ihren eigenen Daseinszweck immer als Dienst an Gott begriffen.
Rabbiner Joseph Ber Soloweitschik stellt bewußt einen Zusammenhang her zwischen der heidnischen Betonung der subjektiven Erfahrung und dem modernen feministischen Ritual. Er zweifelt nicht daran, daß Frauen, die das Tragen von Tallit und Tefillin fordern, es aufrichtig meinen. Er leugnet auch nicht, daß sie, indem sie es tun, eine Erfahrung machen. Was er zurück- weist, ist die subjektive spirituelle Erfahrung als Grundlage des jüdischen Rituals.
Die deutsche protestantische Theologie griff die Idee des Heidentums auf, daß die Gültigkeit einer religiösen Praxis ausschließlich durch die emotionale Reaktion, die sie auslöst, bestimmt ist. Und das Reformjudentum sah in Friedrich Schleiermachers Aufwertung von subjektiver religiöser Intuition und Emotion eine Waffe, mit der es das jüdische Gesetz angriff.
Diesen Weg schlägt auch Marcus ein. Aber die Nachahmung des Heidentums und des Protestantismus war und ist ein untaugliches Mittel, um sich der jüdischen Tradition zu verbinden. Noch eins: Wenn Marcus die jüdische Braut als auf ihrer eigenen Hochzeit nicht zugegen charakterisiert, weil die Braut die Formel »Hiermit bist du mir angeheiligt durch diesen Ring entsprechend dem Gesetz Moses und Israel« nicht spricht, so ist das nicht korrekt – die Zustimmung der Braut ist unentbehrlicher Bestandteil der Eheschließung.
Der Autor ist Direktor von Jewish Media Resources, Jerusalem/Israel
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