Der neueste Hit in den Klassenräumen ist Schaum in Pink, Grün oder Orange. Sprüht man ihn auf die Hände, riecht er nach Kaugummi, Apfel oder Orangen. Die Schüler finden es prima. »Wenn wir schon ständig dieses Zeug nehmen müssen, dann soll es wenigstens lustig sein und gut riechen«, meinen sie. In Israels Schulen steht neuerdings Hygiene auf dem Stundenplan. Der Schaum ist zum Desinfizieren der Hände da. Nach dem 30. Todesopfer durch die Schweinegrippe an diesem Wochenende ist die Angst vor dem Virus größer denn je.
Seit den Sommerferien ist regelmäßiges Händewaschen und Desinfizieren für Schüler und Lehrer Pflicht. Das Gesundheitsministerium hat zudem eine Stunde Hygieneunterricht pro Woche eingeführt, in der über die Maßnahmen zur Prävention aufgeklärt wird. Darüber hinaus muss jedes Kind ständig Desinfektionsmittel im Ranzen haben. Entweder Gels auf Alkoholbasis oder Einmaltücher mit antibakteriellen Wirkstoffen. Außerdem müssen in jeder Toilette gefüllte Seifenspender und Papierrollen zum Abtrocknen hängen.
Erkrankungen Wie viele Menschen bereits am H1N1-Virus erkrankt sind, kann niemand mehr genau sagen, das Gesundheitsministerium gibt keine aktuellen Zahlen mehr heraus. Die bestätigten Fälle belaufen sich auf knapp 3.000, Experten im Gesundheitswesen gehen aber mittlerweile von mehr als 28.000 Israelis aus, die das Virus bereits gepackt haben soll.
Erst in der vergangenen Woche starb eine 39-jährige Frau und Mutter von drei Kindern an der Schweinegrippe. Sie ist das vierte Opfer, das an keiner anderen Krankheit litt, die meisten der Toten waren chronisch Kranke. Derweil warten alle auf wirksame Medizin. Vor etwa zwei Wochen sind in den USA vier neue Impfstoffe freigegeben worden. In Jerusalem werden die ers-
ten 350.000 Dosen im Oktober erwartet, die zunächst den Risikogruppen medizinisches Personal, Schwanger und chronisch Kranke vorbehalten sein sollen. Im No-
vember wird noch einmal dieselbe Zahl erwartet, im Dezember eine Million Dosen. Bis März wird mit Impfstoff für die gesamte Bevölkerung gerechnet, die Impfung soll auf freiwilliger Basis erfolgen.
Rabbiner warnen wegen der Pandemie mittlerweile sogar vorm gemeinsamen Trinken aus dem Kidduschbecher und schlagen stattdessen Einmalgefäße aus
Plastik vor. Auch die Tradition des Tora-Küssens am Freudentag Simchat Tora sollte zumindest in diesem Jahr ausfallen. Be-
sonders gut halten sich die Viren nämlich auf Stoff oder Pergament.
Notfall Da die kalte Jahreszeit naht und zum H1N1- das gewöhnliche Grippevirus kommen wird, fordert die israelische Ge-
sellschaft für Notfallmedizin vom Ministerium mehr Geld für die Krankenhäuser. In öffentlichen Hospitälern stehen derzeit lediglich 300 Betten auf Intensivstationen zur Verfügung. Der Vorsitzende Charles Sprung vom Jerusalemer Hadassah-Krankenhaus erklärt: »Schon jetzt sterben Menschen, weils wir sie nicht aufnehmen können. Wenn ein ernster Grippeausbruch kommt, werden Hunderte, sogar Tausende nicht versorgt werden, weil es einfach nicht genügend Bettenkapazitäten gibt.« Die Gesellschaft fordert Richtlinien, dass nichtlebensnotwenige Operationen wegen der Pandemie verschoben werden dürfen.
Eine Umfrage des Ministeriums ergab, dass sich ein Viertel der Bevölkerung ohne Bedenken impfen lassen würde. Gleichzeitig warnte die Behörde, dass hierzulande weitere 700.000 Menschen an der Schweinegrippe erkranken könnten.