Raketen

Tödlicher Irrtum

von Wladimir Struminski

Bis kurz vor sechs ist die Welt für die Familie al-Ottomana noch in Ordnung. Dann treffen zwei Irrgänger der israelischen Artillerie das Haus in Beit Hanun. Siebzehn Angehörige der Familie und drei weitere palästinensische Zivilisten wurden getötet. Danach läuft die übliche Nahost-Routine ab: Israel zeigt sich bestürzt und betont, daß man palästinensische Zivilopfer nicht absichtlich verursache. Ein Radargerät habe versagt. Nach Angaben der Armee hätten die Geschosse in einem 500 Meter entfernt liegendem Gebiet einschlagen sollen, von dem aus Kassam-Beschuß erwartet wurde. Die Palästinenser sprechen von einem Massaker und drohen mit Rache. Im Weltsicherheitsrat verhindert das Veto der USA zwar eine einseitige Verurteilung Israels, aber das Image Israels als rücksichtsloser Goliath dürfte sich verfestigt haben. Dann verschwindet der Fall Beit Hanun unter der täglichen Nachrichtenflut – bis sich eine neue Tragödie ereignet. Kein Geringerer als Ministerpräsident Ehud Olmert warnte nämlich, tödliche Irrtümer seien unvermeidlich, solange der palästinensische Raketenbeschuß weiterginge.
Hinter Olmerts scheinbarem Zynismus verbirgt sich ein schwerwiegendes Dilemma. Israel kann den Raketenbeschuß seines Staatsgebietes nicht hinnehmen. Gleichzeitig sind die Erfolge der Armee im Kampf gegen die Kassam-Schützen begrenzt und werden mit hohen außenpolitischen Verlusten bezahlt. Dennoch ist der Befehlshaber des Wehrbezirks Süd, Generalmajor Joaw Galant, von der Wirkung militärischer Maßnahmen überzeugt, die den Abschuß von Kassam-Raketen schon oft verhindert habe. Befehl zum Beschuß wird offensichtlich gegeben, wenn der Geheimdienst Gefahr in Verzug meldet – wie in Beit Hanun.
Nach dem tragischen Vorfall will die Armeeführung den Artillerieeinsatz genauer prüfen. Seit vergangener Woche darf nur noch der Wehrbezirkschef Süd, und nicht mehr der unter ihm rangierende Kommandeur des Gasa-Division Artilleriefeuer auf palästinensische Ziele anordnen. Möglicherweise kommt künftig die Luftwaffe häufiger zum Einsatz. Deren Präzisionswaffen senken zwar das Risiko eines »Kollateralschadens« – schließen es aber nicht aus. Während des jüngsten Krieges gegen die Hisbollah fielen libanesische Zivilisten einem Luftwaffenangriff auf das südlibanesische Kafr Kana zum Opfer. Zudem schließt Israel den Artilleriebeschuß palästinensischer Stellungen trotz Beit Hanun nicht aus. Um die den Kassams ausgesetzte israelische Bevölkerung zu schützen, so der Armeesprecher, wollen die Streitkräfte auch künftig »unter Einhaltung größtmöglicher Sicherheitsabstände« die »Gesamtheit der ihnen zur Verfügung stehenden Mittel« nutzen. In Israel ist man skeptisch, daß eine neue »Regierung der nationalen Einheit« das Kassam-Feuer unterbinden könne. Am Mittwoch morgen wurde in Israel eine Frau bei einem Raketenangriff getötet. An der Grenze zu Gasa droht ein langer Zermürbungskrieg.

TV-Tipp

Fränkischer Stoffhändler mit beispielloser Erfolgsgeschichte

Mini-Serie über Jeans-Erfinder Levi Strauss als TV-Premiere

von Jan Lehr  02.01.2025

Gaza

WHO-Chef fordert Freilassung von Krankenhausleiter in Gaza

Israel wirft dem Direktor des Kamal-Adwan-Krankenhauses eine Beteiligung an Terroraktivitäten vor. Er werde gegenwärtig verhört, heißt es

 30.12.2024

Jerusalem

Netanjahu würdigt Jimmy Carter als Friedensstifter

Der ehemalige US-Präsident ist am Sonntag im Alter von 100 Jahren gestorben

 30.12.2024

Jerusalem

Netanjahu im Krankenhaus - Gericht verschiebt Anhörung

Die Gerichtstermine im Korruptionsprozess gegen Israels Regierungschef kollidieren oft mit seinen Amtsgeschäften. Diesmal zwingt ihn jedoch ein anderer Grund zu einer Absage

 29.12.2024

Interview

»It’s been a tough year«

Yana Naftalieva on the meeting of the World Union of Jewish Students in Berlin, anti-Semitism at universities and her wishes for 2025

von Joshua Schultheis  27.12.2024

Nahost

Israel greift bei libanesisch-syrischem Grenzübergang an

Ziel sei Infrastruktur der Terrormiliz Hisbollah gewesen

 27.12.2024

Nahost

UN-Chef ruft Israel und Huthi-Terrormiliz zu Deeskalation auf

António Guterres nennt die neuesten israelischen Luftangriffe »besonders alarmierend«

 27.12.2024

Nahost

Tote nach israelischen Angriffen im Jemen

Nach Angaben von Israels Armee griff die Luftwaffe Infrastruktur der Huthi-Miliz am internationalen Flughafen der Hauptstadt Sanaa an

 28.12.2024 Aktualisiert

Kultur

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 19. Dezember bis zum 2. Januar

 23.12.2024