von Tobias Kühn
Ein Papst kommt selten allein. Wie andere Oberhäupter ist auch der Chef der katholischen Kirche stets mit einem gewaltigen Troß unterwegs: Reisemarschall, Sicherheitsleute, Leibarzt und Privatsekretär müssen ständig in Rufweite sein. Wo aber halten die sich auf, wenn der Papst doch einmal allein sein möchte – zum Beispiel bei seinem Bruder zum Mittagessen und anschließendem Nickerchen?
Am vergangenen Mittwoch in Regensburg schaute man im christlich-jüdischen Dialog einmal sprichwörtlich über den Tellerrand. Vor drei Wochen, erzählt Hans Rosengold vom Vorstand der jüdischen Gemeinde der Donaustadt, habe ihn der Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller angerufen. »Herr Rosengold«, habe der zu ihm gesagt, »wir haben ein Problem: Der Papst besucht seinen Bruder in dessen Wohnung.« Der 83jährige Rosengold horchte auf. Er weiß, daß der Bruder des Papstes direkt gegenüber dem jüdischen Gemeindehaus wohnt. »Der Papst hat eine Bitte«, rückte der Bischof heraus. Es seien um die 20 Personen in seinem Gefolge, man wisse nicht, wo man sie unterbringen solle, während Benedikt bei seinem Bruder ist. Ob die jüdische Gemeinde sie über die Mittagszeit wohl beherbergen könnte? Fürs Essen wolle man schon sorgen, bekräftigte der Bischof. »Da habe ich gesagt«, erzählt Rosengold, »lieber Bischof, so einfach ist das nicht. Wir müssen auf die Reinheitsgebote achten.« Der Bischof solle sich aber keine Sorgen machen, die Gemeinde werde sich um die Leute kümmern.
Am nächsten Tag kam der Generalvikar ins jüdische Gemeindehaus, um die Küche und den Speiseraum zu begutachten. »Der hat geschaut, ob’s koscher ist«, scherzt Rosengold. Dann sei in Rom zurückgefragt worden. »Und so kam es, daß wir ein Essen vorbereitet haben für diese Leute.«
Was es gegeben hat? Gemüsesuppe, Rinderbraten, Petersilienkartoffeln, Salat und zum Nachtisch Ananas mit Kirschen und Mandeln, Kaffee und Zwetschgenkuchen. Und selbstverständlich Wein, israelischen – rot und weiß. Zubereitet hat die Speisen Paulette Kraus, die Küchenfee der Gemeinde. »Sie weiß, was koscher ist, sie ist eine erfahrene Frau«, sagt Rosengold.
Ursprünglich wollte der Gemeindevorstand den päpstlichen Troß nur begrüßen und ihn dann allein lassen. Der Privatsekretär des Papstes bat den Vorstand jedoch, mit ihnen zu essen. »Das war eine tolle Möglichkeit, über Gott und die Welt zu reden«, sagt Rosengold. Ein gemeinsames Tischgebet gab es allerdings nicht. »Ich denke, daß der eine oder andere still und leise etwas vor sich hingemurmelt hat, aber es war nicht augenscheinlich.«
Weil Benedikt XVI. sein Programm spontan geändert hatte, ergab es sich, daß er mit seinem Bruder am jüdischen Gemeindehaus vorbeiging, kurz bevor dort sein Gefolge zum Mittagessen eintraf. »Wir hatten von guten Freunden bei der Polizei davon erfahren und uns vor dem Haus aufgestellt«, erzählt Hans Rosengold. Der Papst habe sie stehen sehen, sei auf sie zugegangen, habe jedem die Hand gegeben und sich für die Aufnahme seiner Leute bedankt. »Es war ein überwältigendes Ereignis! Der Papst ist so zugänglich – so ein charmanter Mann«, schwärmt Rosengold. »Aber haben Sie keine Angst, wir werden nicht zum Katholizismus übertreten.«