Herr Schroeder, im Zusammenhang mit dem CERN-Versuch ist von der Gefahr Schwarzer Löcher die Rede. Müssen wir uns Sorgen machen?
schroeder: Die Chance, dass die Welt da-
durch verschwinden wird, ist sehr gering. Ich glaube nicht, dass wir Angst haben müssen. Die Energien, die dort erreicht werden, sind weit entfernt von denen, die bei der Entstehung des Universums im Spiel waren.
Müssen wir stattdessen befürchten, dass das Experiment Erkenntnisse bringt, die unsere theologische Sicht der Schöpfung infrage stellen?
schroeder: Ganz im Gegenteil. Ich erhalte derzeit auch viele E-Mails aus der ganzen Welt mit genau dieser Frage. Nein, theologisch ist das gar kein Problem. Wenn wir verstehen wollen, wie der Ewige das Universum führt, müssen wir die Gesetze der Natur verstehen lernen. Das hat bereits Maimonides ge-
sagt. Hier wird nicht untersucht, wer oder was diese Welt geschaffen hat. Vielmehr geht es darum, wie die grundlegenden Energien, die den Urknall verursacht haben, entstanden sein können.
Noch vor einigen Jahrzehnten glaubte die Wissenschaft, das Universum sei unend-
lich. Erst die Urknall-Theorie belegt die Aussage der Tora, dass es einen Beginn gab. Kann CERN beweisen, dass es auch einen Beginner, also Schöpfer, gibt?
schroeder: Nein, dieses Experiment will herausfinden, was sozusagen auf dieser Seite der Schöpfung geschieht. Es geht nicht so weit, uns sagen zu wollen, wer den Urknall hat knallen lassen. Die Tora sagt, es gibt einen Schöpfer. Die Wissenschaft ist heute der Auffassung, es gibt ewigliche Gesetze der Natur, die ein Universum schaffen. Aber die Wissenschaftler sagen nicht: Halleluja, es gibt einen Gott. Auch nach dem CERN-Versuch werden sie das nicht sagen, zumindest nicht alle. Aber immerhin schon die schweigende Mehrheit.
Ist es ein Zufall, dass das Experiment im Monat Elul startet und der künstliche Urknall zeitnah mit Rosch Haschana – also den Tagen der Schöpfung der Welt – stattfinden könnte?
schroeder: Ganz ehrlich: Darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht. Aber das ist ein wunderbarer Gedanke. Nur glaube ich bislang nicht, dass es da einen kabbalistischen Zusammenhang gibt.
Mit dem Nuklearphysiker und Toragelehrten sprach Detlef David Kauschke.
Infos: www.geraldschroeder.com