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The Boss

Michael Bloomberg ist eine bemerkenswerte Erscheinung, selbst für einen säkularen Juden. Der New Yorker Bürgermeister, der dritte jüdische Politiker, der das Amt bekleidet, isst am liebsten gebratenen Schweinespeck mit Erdnussbutter. Er ist dafür eingetreten, dass Mahmud Ahmadinedschad an der Columbia University reden darf. Israel besuchte er zum ersten Mal, als er beschloss, als New Yorker Bür- germeister zu kandidieren. Seine Ex-Frau ist keine Jüdin, auch nicht seine Freundin. Und wenn er Wahlkampf in orthodoxen Gemeinden macht, nimmt er sicherheitshalber Rudy Giuliani mit, seinen Vorgänger, der gerne mit einer Kippa auftaucht.
»Bloomberg ist stolz, Jude zu sein, aber er ist ein WASH – ein weißer, angelsächsischer Hebräer«, meint Douglas Muzzio, Professor am New Yorker Baruch College, in der New York Times. »Er ist Jude nur in ethnischer und kultureller Hinsicht.« Am Dienstag steht der 67-jährige Bürgermeister das dritte Mal zur Wahl, und kaum einer zweifelt, dass er es schafft. Er hat die Unterstützung der New York Times, der Jewish Press und der Daily News von Mortimer Zuckerman, dem früheren Vorsitzenden der Conference of Presidents of Major American Jewish Organizations. Auch die Jerusalem Post stellte sich hinter Bloomberg, dazu prominente Juden wie Ed Koch, Marty Markowitz, der Broadway-Autor Neil Simon und mehrere Rabbiner, darunter Joseph Karasick, der frühere Präsident der Orthodox Union. Die Unterstützung vieler jüdischer Wähler, rund 15 Prozent der New Yorker, ist ihm ebenfalls sicher. Schon 2001 hatte der Republikaner Umfragen zufolge mehr als die Hälfte der jüdischen Stimmen erhalten, und damals war sein Gegenkandidat Mark Green, ein jüdischer Anwalt, der für die Demokraten antrat. Dabei tendieren Juden eher dazu, demokratisch zu wählen. Und bei der Wahl von 2005, als er gegen Fernando Ferrer kandidierte, den demokratischen Bürgermeister der Bronx, bekam er sogar 70 Prozent der jüdischen Stimmen.
Dabei war Bloomberg – der die Republikaner inzwischen verlassen hat – nie konservativ. »Bloomberg tritt für Waffenkontrolle und für Frauen- und Schwulenrechte ein, auch für Immigration, er hat eine liberale soziale Agenda«, sagt die Bloomberg-Biografin Joyce Purnick.
Bloombergs Vater William war ein russischer Immigrant, seine Mutter Charlotte, die heute 99 ist und die er täglich anruft, stammt aus Litauen. Der Junge wuchs in Medford, Massachussetts, auf, eine irisch-italienische Gemeinde. Juden durften 1945 dort keine Häuser kaufen, so dass die Bloombergs einen irischen Strohmann einschalten mussten. Für Michael war das eine frühe Erfahrung von Diskriminierung, meint Purnick. Bloomberg selber erinnert sich aber nicht an Antisemitismus in seiner Kindheit.
ehrgeizig Seine Mutter schickte ihn zu einer Reformsynagoge, damit er Hebräisch lernte, aber er konnte mit Religion nichts anfangen, er interessierte sich für Naturwissenschaften. Und er war schon früh ehrgeizig. »Er wollte immer der Boss sein«, erinnert sich Charlotte. Sie unterstützte das, nur seine Pläne, Präsident zu werden, sah sie skeptisch – für einen jüdischen Präsidenten sei Amerika noch nicht reif. Nach der Universität – Harvard Business School, Johns Hopkins University – bekam Bloomberg seine erste Stelle bei Salomon Brothers an der Wall Street. Als er entlassen wurde, machte er mit seiner Abfindung seinen eigenen Laden auf – Bloomberg LP – und verkaufte Computerterminals und Finanzdienstleistungen . Damit wurde er 16-facher Milliardär. Heute geht er an den Hohen Feiertagen in den Tempel Emanu-El. Neulich ließ er sich im Supermarkt ablichten, als er für Rosh Haschana einkaufte – kaum mehr als ein Fototermin.
Als Bürgermeister hat er die Kriminalität auf ein nie gekanntes Maß gesenkt, die Stadt ist sauber und sicher, die Arbeitslosigkeit hält sich in Grenzen. Die Mieten sind hoch, aber das liegt daran, dass viele hierherziehen wollen. Bloomberg hat auch erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg den Bau einer neuen U-Bahn angeschoben, er lässt Bäume pflanzen und Radwege anlegen, hat das Rauchen praktisch verboten und den Fast-Food-Restaurants auferlegt, Kalorien auszuweisen.
Trotzdem ist es umstritten, dass er das dritte Mal antritt, denn das verbietet ein Gesetz, das der Kosmetikerbe Ronald Lauder durchgesetzt hat, der auch der Chairman des Jüdischen Weltkongresses ist. Bloomberg schaltete Howard Rubenstein ein, den obersten PR-Guru der Stadt. Rubenstein vermittelte zwischen den beiden Milliardären; nun wird Lauder einer Kommission vorstehen, die das Gesetz überarbeitet.

standhaft Bloomberg trifft zudem auf Vorbehalte unter orthodoxen Juden. Deren Zahl ist in den letzten Jahren gestiegen. Inzwischen ist ein Viertel der New Yorker Juden orthodox, 19 Prozent sprechen zu Hause russisch. Und denen ist Giuliani lieber. Der Law-and-Order-Bürgermeister, der sich nach den Straßenkämpfen zwischen Schwarzen und Juden in Crown Heights durchsetzte, besiegte damals Ruth Messinger, eine jüdische Demokratin aus Manhattan. Heute noch hat Giuliani bei Orthodoxen einen besseren Ruf als Bloomberg: Er hat Jassir Arafat aus dem Lincoln Center werfen lassen, als der bei der UN-Generalversammlung ein Konzert besuchte. Hingegen hat sich Bloomberg gegen einen Stadtratsbeschluss gestellt, das New Yorker Büro der PLO zu schließen. Und er hat Anwalt Omar Mohammedi vom »Council on American-Islamic Relations« in den New Yorker Menschenrechtsrat berufen, gegen Proteste des American Jewish Congress und der Anti-Defamation League.
Aber Giuliani steht nicht zur Wahl. Bloombergs Gegenkandidat ist Bill Thompson, ein schwarzer Demokrat, den Orthodoxe erst recht nicht wollen. Die Jerusalem Post, die in New York eine Auflage von 100.000 hat, erinnerte daran, dass Bloomberg 1,5 Millionen Dollar für Magen David Adom gestiftet habe. Auch habe er in diesem Jahr zur »Salute to Israel Parade« in Manhattan die Eltern des entführten Soldaten Gilad Schalit empfangen. Bloomberg, so die Post, sei einer der »standhaftesten Unterstützer Israels«.

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