von Bruno Schirra
Die Gastgeber waren ausgesprochen höflich. Und das hat den damaligen Ministerpräsidenten Spaniens, José María Aznar, bei seinem Staatsbesuch 2001 dann doch etwas erstaunt. Wußte er doch, daß die iranische Führung ihn wegen seiner politischen Freundschaft zu US-Präsident George W. Bush nicht sonderlich schätzte. Das Treffen fand in einem bescheidenen Privathaus statt. Die hohen Geistlichen sprachen mit dem Regierungschef zunächst sehr freundlich. Aber dann, so schilderte Aznar später einem General der israelischen Armee, kam Ayatollah Ali Chamenei, der Oberste Geistliche Führer der Islamischen Republik Iran, darauf zu sprechen, was Irans Politik antreibe: Chamenei habe immer wieder nur das eine wiederholt: »Israel muß verbrennen. Das ist das primäre Ziel iranischer Politik.« Aznar, ebenso irritiert über diese programmatische Aussage Chameneis wie über dessen Offenheit, fragte nach. Die Antwort war klar. »Chamenei erklärte mir, daß der Iran Israel und den USA den Krieg erklären müsse – so lange, bis beide Staaten vernichtet seien.« Spaniens Premier wußte Chamenei nur eines zu entgegnen: Er solle ihm den geplanten Zeitpunkt für den Angriff nennen.
Der begann vergangene Woche. »Israel muß brennen.« Um dieses Ziel zu erreichen, hat der schiitische Gottesstaat seinen bewährten Kettenhund losgelassen. Die »Partei Gottes«, die Hisbollah. Sie ist 1982 in den Wirren des libanesischen Bürgerkrieges auf Betreiben Teherans gegründet worden. Als Frontorganisation des Irans im Kampf gegen Israel, aber auch im Kampf gegen den verhaßten Westen. Die von Teheran abhängige Terrororganisation agiert global. In Europa, in den USA, in Afrika wie in Südamerika hat die »Partei Gottes« gut organisierte Netzwerke etabliert. Für nur einen Zweck: Terror als Mittel zur Durchsetzung iranischer Politik.
So spiegelt die Episode, die Aznar zu erzählen weiß, nicht nur die iranische Politik gegenüber Israel wider, vielmehr beleuchtet sie schlaglichtartig, was sich seit Tagen im Nahen Osten zu einem veritablen Krieg ausgeweitet hat. Seit vergangener Woche liegt der Norden Israels unter dem Feuer iranischer Raketen. Auch Tel Aviv könnte unter Beschuß geraten. Teheran hat die Waffenarsenale seines Kettenhundes prall gefüllt. Über den internationalen Flughafen von Damaskus werden die Raketen in den Süden des Libanon weitergeleitet. Mehr als 13.000 Raketen mit einer Reichweite von 70 Kilometern haben die Revolutionären Garden des Iran in den vergangenen zwei Jahren der Hisbollah geliefert. Damit nicht genug. »Wir haben ausreichend Raketen vom Typ Raad 2 und Raad 3, die wir auch einsetzen«, sagt in perfektem Deutsch der Hisbollah-Kämpfer Hussein Nablousi in Beirut. Nablousi hat jahrelang in Hamburg gelebt und arbeitet heute im Propaganda-Apparat der Hisbollah. Es seien Raad-Raketen gewesen, mit denen Haifa am Sonntagmorgen bombardiert wurde, sagt er. Diese Waffe hat eine Reichweite von 120 bis 350 Kilometern. Sie wurden 2004 im Iran entwickelt und an die Hisbollah geliefert. Ebenso wie die radargeleiteten C-802-Raketen, die am Freitag eine israelische Korvette schwer getroffen haben. Aber Teheran beteiligt sich an diesem Krieg gegen Israel nicht nur durch Waffenlieferungen. Instrukteure und Offiziere der Elitetruppen des Gottesstaates, der Revolutionären Garden, haben in der Ver-
gangenheit Hisbollah-Terroristen militärisch ausgebildet und die »Gotteskrieger« mit jährlich 100 Millionen Dollar alimentiert. Aus Sicherheitskreisen heißt es, daß sich Revolutionsgardisten seit Beginn des Krieges an den Kämpfen gegen Israel beteiligen. Sie sollen die Radarstellungen bedienen, von denen aus Naharija, Haifa, das mehrheitlich von israelischen Arabern bewohnte Akko, Tiberias, Afula und das christliche Nazareth mit Raketen angegriffen wurden. Der israelische General-Major Udi Adnan sagte der Jerusalem Post, die Armee habe eindeutig etwa 100 Angehörige der Revolutionären Garden im Süden des Libanons identifiziert.
Was in europäischen Ohren wie israelische Desinformation klingen will, bestätigen deutsche BND-Mitarbeiter. »Es sind Offiziere der Revolutionären Garden, die die Radarstellungen der Hisbollah bedienen und den Befehl über deren Einheiten im Süden des Libanons haben. Sie legen die Ziele fest, und noch achten die iranischen Instrukteure im Sinne Teherans darauf, daß eine bestimmte rote Linie nicht überschritten wird.« Die rote Linie, das ist der Beschuß Tel Avivs mit iranischen Raketen durch die Hisbollah.
Hassan Nasrallah, der Führer der schiitischen Terrororganisation, der zugleich das Amt des »Persönlichen Repräsentanten des Obersten Geistlichen Führers der Islamischen Republik Iran« ausübt, ist dabei die ersten Schritte auf dem Weg zu gehen, den ihm Chamenei und Staatspräsident Ahmadinedschad vorgegeben haben. »Israel muß brennen, Israel muß von der Landkarte getilgt werden.« In aller Offenheit hatte Hassan Nasrallah vor wenigen Tagen israelischen Eltern damit gedroht, daß ihre Kinder sterben würden.
Die Hisbollah hatte 1982, nach dem Einmarsch Israels im Libanon, damit begonnen, ihren Terrorkrieg auszuweiten. Es wurde nicht mehr nur im Libanon und in Israel getötet, sondern auch in den Straßen Europas. Mit einer Serie von 13 Bombenattentaten ermordete die Hisbollah zwischen 1985 und 1986 in Paris 13 Menschen. Ihre Ziele: Einkaufszentren, Bahnstationen und Züge. Am 12. April 1985 starben 18 Spanier bei einem Anschlag auf die Diskothek El Descando, nahe dem US-Luftwaffenstützpunkt im spanischen Torrejon. »Gotteskrieger« töteten in Berlin, Wien, Hamburg und Genf. Dutzende westlicher Geiseln wurden von der Hisbollah in den 80er Jahren im Libanon entführt und in Geiselhaft gehalten.
Hinter dem mörderischen Treiben der Terrororganisation stand Teheran. Das behaupten nicht nur westliche Geheimdienste, das wird sogar aus berufenem Mund bestätigt. Der ehemalige iranische Vizepräsident, Mohammed Abtahi, gibt heute unumwunden zu, was bisher nur vermutet werden konnte: »Die Hisbollah war damals wie heute unter der hundertprozentigen Kontrolle der Hardliner in Teheran. Von dort kamen die Befehle, von dort kam die Logistik, von dort kamen die Instrukteure. Die Anschläge in Frankreich, Spanien und sonstwo in Europa waren das Werk der Rechtsextremisten in Teheran.« Abtahi bestätigt auch, was Magnus Ranstrop, Terrorexperte mit dem Schwerpunkt Hisbollah im Libanon, seit Jahren behauptet: »Sunnitische Mitglieder der Al Kaida wurden zwischen 1992 und 1995 im Libanon von der Hisbollah ausgebildet und trainiert.« Eine Allianz zwischen sunnitischen und schiitischen Terrornetzwerken, im Kampf gegen den gemeinsamen Feind, die bis zum heutigen Tage anhält.
Magnus Rantorp befürchtet ebenso wie westliche Geheimdienste und deutsche Verfassungsschutzämter, daß der derzeitige Krieg zwischen der von Teheran gelenkten Hisbollah und Israel auch in Europa blutige Folgen haben wird. »Wenn der Krieg im Nahen Osten eskaliert, dann wird die Hisbollah auch in Europa mit Terroranschlägen reagieren«, vermutet Ranstorp. »Die Hisbollah ist dazu in der Lage.« Sie hat nicht nur in Frankreich, Italien und Großbritannien gut funktionierende Organisationsstrukturen aufgebaut, sondern auch in Deutschland. Allein in Berlin unterhält die schiitische Terrororganisation drei Moscheen, in denen deutsche Verfassungsschützer regelmäßige Treffen von reisenden Terrorkadern observiert haben. In Baden-Württemberg wie in NordrheinWestfalen betreibt die Hisbollah islamistische Zentren. Das Imam-Mahdi-Zentrum in Münster-Hiltrup hat der Verfassungsschutz als Treffpunkt von Hisbollah-Kadern ausgemacht. Und das ist nur ein Teil eines vom Iran gesteuerten Netzwerkes von Moscheen in Deutschland.
»Das ist ein extrem gefährliches terroristisches Potential, das vom Auslandssicherheitsdienst der Hisbollah und dem iranischen Geheimdienstministerium betreut wird«, sagt ein Mitarbeiter des Verfassungsschutzes. Die deutschen Sicherheitsdienste sind angesichts der Lage im Nahen Osten mehr als beunruhigt. »Wir reden nicht mehr über eine nur abstrakte Gefährdung deutscher Sicherheitsinteressen«, sagt der Verfassungsschützer, »wir reden heute über eine sehr konkrete Gefährdungslage hier in Deutschland. Es glaube bloß niemand, daß der Krieg der Hisbollah und damit der Krieg des Irans gegen Israel auf den Nahen Osten beschränkt bleibt. Das war in der Vergangenheit nicht so, das wird auch morgen nicht anders sein.«