Teenager zu sein ist anstrengend. Montags Liebeskummer, dienstags Pickel, am Mittwoch nerven die Eltern, Donnerstag ist der Hintern zu dick, und Freitag geht’s in die Synagoge. Jedenfalls, wenn man Susie B. Scheinwald heißt und im New Yorker Stadtteil Queens in den 60er-Jahren lebt. Dort, in der Nameoke Street, wohnen auch Susies Freundinnen Becky, Judy und Elaine – »The Nameoke Knock-outs«, wie sie ihre Clique nennen, nach dem Vorbild der legendären Jets und Sharks aus dem Musical West Side Story. Gemeinsam streifen sie durch die Straßen und singen Hits von den Shirelles wie »Baby it’s you« oder »Tonight’s the night«.
Sneaker Doch Susie hat ein Problem – einen Gehfehler. Während die anderen Mädchen modische Sneakers tragen, muss sie in hässlichen orthopädischen Schuhen herumlaufen. So schafft man es natürlich nicht, in die Cheerleader-Mannschaft aufgenommen zu werden und zu den beliebtesten Mädchen der Schule zu gehören. Chancen bei Marc Lieberman hat man auch keine, dem Schwarm aller 13-Jährigen, in den auch Susie hoffnungslos verliebt ist.
»Mit 13 ist man zu alt, um noch kindlich zu sein und zu jung, um mit den Problemen der Erwachsenen zurechtzukommen«, sagt Holly-Jane Rahlens, die von Susies Irrungen und Wirrungen in ihrem gerade erschienenen Buch Mein kleines großes Leben erzählt. Die 58-jährige gebürtige New Yorkerin, die seit über 30 Jahren in Berlin lebt, kennt sich mit Problemen von Teenies gut aus.
Erstens war sie selbst einmal 13, zweitens hat sie einen Sohn im kritischen Alter, der ihr hilfreiche Tipps gibt. Zum Beispiel, was »Emos« sind. Angehörige dieser Subkultur tauchen in Rahlens 2002 erschienenem, preisgekrönten Jugendroman Prinz William, Max Minsky und ich auf, der vergangenes Jahr verfilmt wurde. Darin verliebt sich die 13-jährige Nelly, eine jüdische Berlinerin, in keinen Geringeren als den britischen Thronfolger Prinz William, wenn auch nur aus der Ferne. Für ihren Bat-Mizwa-Unterricht zeigt Nelly deshalb wenig Interesse. Zum Glück lernt sie aber dann Max Minsky kennen (den »Emo«). Der ist zwar kein Prinz, dafür aber real. Und jüdisch ist er auch.
Toleranz Warum jüdische Heldinnen und Helden in deutschen Jugendbüchern? Will die Autorin zur Toleranz erziehen? Holly-Jane Rahlens schaut etwas verwundert. Daran hat sie nie gedacht. Erhobene Zeigefinger sind nicht ihr Stil. Sie schreibt einfach nur von Dingen, die sie selbst erlebt hat.
Als Mädchen musste Rahlens auch widerliche orthopädische Schuhe tragen. Und die Shirelles mochte sie sehr. »Ich weiß sogar noch die Texte der Lieder.« Ja, und jüdisch ist sie auch; ihr Sohn bereitet sich gerade auf seine Bar Mizwa vor. Warum davon so großes Aufheben gemacht wird, versteht Holly-Jane Rahlens nicht wirklich. »Wenn man in den USA als jüdischer Teenie aufwächst, ist das so normal wie sonst was. In Deutschland ist es immer etwas Besonderes.«
Dabei haben Pubertierende, ob jüdisch oder nicht, überall auf der Welt die gleichen Probleme, da ist sich die Autorin sicher. Die Schule macht Stress, und die Hormone spielen verrückt, unabhängig von Religion und Herkunft.
Dass sie damit nicht ganz falsch liegt, bestätigen die Auflagenzahlen. Von Prinz William, Max Minsky und ich wurden 70.000 Stück verkauft. Es gab auch reichlich Feedback von den jungen Leserinnen (Jungs lesen Rahlens’ Bücher selten, oder würden es zumindest nie zugeben). »Eine hat mich gerügt und gesagt, dass man mit 13 sehr wohl länger als zwei Wochen verliebt sein kann«, sagt die Autorin, die sich aber auch fragt, warum ihre Bücher »nur« als Jugendliteratur wahrgenommen werden. Dabei hatte sie das ursprünglich gar nicht im Sinn gehabt. »Als ich Prinz William schrieb, sagten alle, das sei ein Jugend-buch, und ich bekam einen Preis dafür, dass ich eine 13-Jährige so gut dargestellt habe.«
Eltern Inzwischen schreibt sie bewusst und gezielt für den Jugendmarkt »weil ich damit Erfolg habe«. Eltern empfiehlt Rahlens trotzdem die Lektüre, und sei es nur, um dadurch besser zu verstehen, wie ihre Pubertisten ticken.
Prinz William, Max Minsky und ich spielt im Berlin der Gegenwart. Das neue Buch Mein kleines großes Leben ist im New York der 60er-Jahre angesiedelt, als Holly-Jane Rahlens selbst 13 Jahre alt war und wie ihre Heldin Susie mit ihren Freundinnen durch die Straßen von Queens zog. Das gibt es so heute nicht mehr, bedauert sie. »Die Jugendlichen haben jetzt ihre iPods und Computer.«
Auch der Zusammenhalt über Jahre hinweg, wie Susie und ihre Freundinnen ihn im Buch pflegen, vom Kindergarten bis zum College, ist in Deutschland selten, hat die Autorin festgestellt. Das hat mit dem dreigliedrigen deutschen Bildungssystem zu tun, das Freunde und Freundinnen schon früh voneinander trennt, wenn sie mit 12 Jahren oder jünger auf unterschiedliche Schulen müssen.
»In den USA ist man bis zur 11. Klasse zusammen, und die Freundschaften sind intensiver.« Dass ihre jungen deutschen Leserinnen sich dennoch in Susie B. Scheinwald werden hineinversetzen können, davon ist Holly-Jane Rahlens überzeugt: »Teenie ist Teenie, egal wo!«
Holly-Jane Rahlens: Mein kleines großes Leben, Rowohlt, Reinbek 2008, 272 S., 12,95 €