60. Geburtstag

Technik trifft Tora

von Friedrich Schreiber

Was sind wir? Und wer sind wir? Wo steht unser Land heute? Das fragen sich viele Israelis in den Tagen rund um Jom Ha’atzmaut zwischen Trubel und Terrorangst. Was ist nach 60 Jahren Unabhängigkeit, nach 60 Jahren Staatlichkeit aus Israel geworden? Wen sehen wir nach sechs Kriegen, zwei Libanon-Invasionen, 30 Jahren Besatzungsmacht und zwei Intifadas, wenn wir in den Spiegel schauen? Alles ganz normal? Wohl kaum.
Kann der moderne Judenstaat überhaupt ein »normaler« westlicher Staat sein? Schließlich musste er seine Unabhängigkeit mitten im blutigen Kampf proklamieren. Schließlich wollten seine feindlichen Nachbarn die Israelis in der glücklichen Stunde ihrer nationalen Wiedergeburt »ins Meer treiben«. Israelis können dieses Trauma nicht verdrängen und sich in Frieden der Verwirklichung ihrer biblischen und zionistischen Träume hingeben, vor allem nicht nach dem gescheiterten Friedensversuch durch Rabin und Peres, der durch die Terrorbomber der Hamas ausgebremst wurde.
Die Israelis von gestern und heute wissen, dass sie ihr nationales Aufbauwerk, die Entfaltung ihrer geistigen, kulturellen und wirtschaftlichen Kräfte, ihren Weg in die Moderne, nur in den Grenzen in die Tat umsetzen können, die ihnen ihre geografische Lage und die Bedrohungen aus dem Nahen und Mittleren Osten aufzwingen.
Nach 60 Jahren Staatlichkeit hat Israel auf vielen Feldern Errungenschaften vorzuweisen, die weltweit konkurrieren können oder sogar Spitzenplätze einnehmen. Apropos »Felder«: Israel hat wie kein anderer Staat schöpferisch eine Agrikultur entwickelt, die – einst von den Kibbuzim der ersten und zweiten Alija der Wüste abgetrotzt – heute mit modernster Technologie für Bewässerung und Düngung dem knappen und kargen Boden Höchstleistungen abringt. Und noch eine wirtschaftliche Errungenschaft verdankt Israel seinem Kampf gegen Widrigkeiten, egal ob Wüste oder menschliche Feinde: Israels militärische Schlagkraft, unter deren Schutz es seine wirtschaftlichen Kräfte friedlich nutzen kann, hängt von seiner Luftüberlegenheit und Raketenabwehr ab. Deswegen haben alle Regierungen Israels immense finanzielle Ressourcen in eine erstklassige Elektronikindustrie investiert, die ihre Spitzenprodukte auch für friedliche Zwecke als Ex- port-Schlager weltweit vermarkten kann.
Diesen geniehaften Einfallsreichtum, aus der Not das Beste herauszuholen, haben die Nachfahren der alttestamentarischen Urväter nach Massada, nach Vertreibung und Zerstreuung in alle Welt, in der fast 2000-jährigen Entbehrungszeit in Galut und Ghetto lernen müssen – um zu überleben, bis der Ruf der Vorkämpfer des Zionismus ertönte: Befreiung von den Fesseln der Unterdrückung im antisemitischen Europa, nationale Wiedergeburt im eigenen Land, auf der eigenen Scholle, mit Hacke, Schaufel und Pflugschar, nicht mit dem Schwert oder dem Gewehr.
Auch wenn es in der politischen und militärischen Exponiertheit des Nahen Ostens nicht ganz leicht ist, aus den Verheißungen des Propheten Elias moderne Wirk- lichkeit werden zu lassen: Die Israelis schaffen es, friedliche Herausforderungen zu meistern – von Wirtschaft und Wissenschaft bis Kunst und Medien. Im Weizmann-Institut von Rehovot weht der Wind von Oxford, Harvard und Heidelberg. Die Informatiker, Mathematiker und Physiker des Technions von Haifa können mit den US-amerikanischen Elite-Universitäten in Stanford und Massachusetts mithalten – zum Nutzen der Forscher in den israelischen Silicon Valleys, zum Nutzen der israelischen Elektronik-, Flugzeug- und Raketenindustrie, zum Nutzen der israelischen Exportindustrie
Aber wenn die Wissenschaftler von Haifa und Rehovot am Freitagabend mit einem öffentlichen Bus nach Hause fahren wollen oder El Al leicht verderbliche landwirtschaftliche Produkte am Samstag nach Europa fliegen soll, dann ist eine innere Grenze erreicht. Eine Grenze, die für einen Juden – ob gläubig, etwas gläubig oder ohne religiöse Bindung – unüberwindlicher ist als jeder äußere Feind: Die Mauer der Tora, das göttliche Ruhegebot vom siebten Tag im Schöpfungsbericht des Mose.
Weil Israel ein Judenstaat war, ist und immer bleiben muss, weil seine Gründerväter die ewige Quelle aller Jüdischkeit und die Geschlossenheit des Volkes bewahren mussten, schloss David Ben Gurion den Status-quo-Kompromiss zwischen säkularer Moderne und alttestamentarischer Toratreue, um dem wichtigsten Ziel näherzukommen: Am Jisrael Chai!

Der Autor war von Anfang 1988 bis Ende 1996 Nahost-Korrespondent der ARD mit Sitz in Tel Aviv.

Wittenberg

Luthergedenkstätten untersuchen ihre Sammlung auf NS-Raubgut

Zwischen 1933 und 1945 erworbene Objekte werden analysiert

 19.02.2025

Braunau

Streit über belastete Straßennamen im Hitler-Geburtsort

Das österreichische Braunau am Inn tut sich weiter schwer mit seiner Vergangenheit. Mehrere Straßen tragen nach wie vor die Namen bekannter NS-Größen. Das soll sich nun ändern

 13.02.2025

Bund-Länder-Kommission

Antisemitismusbeauftragte fürchten um Finanzierung von Projekten

Weil durch den Bruch der Ampel-Koalition im vergangenen Jahr kein Haushalt mehr beschlossen wurde, gilt für 2025 zunächst eine vorläufige Haushaltsplanung

 12.02.2025

Österreich

Koalitionsgespräche gescheitert - doch kein Kanzler Kickl?

Der FPÖ-Chef hat Bundespräsident Van der Bellen über das Scheitern der Gespräche informiert

 12.02.2025

Düsseldorf

Jüdische Zukunft: Panel-Diskussion mit Charlotte Knobloch

Auf dem Podium sitzen auch Hetty Berg, Armin Nassehi und Philipp Peyman Engel

 11.02.2025

Sport

Bayern-Torwart Daniel Peretz trainiert wieder

Der Fußballer arbeitet beim FC Bayern nach seiner Verletzung am Comeback

 09.02.2025

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

von Katrin Richter  05.02.2025

USA/Israel

Trump empfängt Netanjahu im Weißen Haus

Als erster ausländischer Staatsgast in Trumps zweiter Amtszeit kommt der israelische Regierungschef nach Washington. In dem Republikaner hat der israelische Besucher einen wohlwollenden Unterstützer gefunden

 04.02.2025

Düsseldorf

Igor Levit: Bin noch nicht fertig mit diesem Land

Am Klavier ist er ein Ausnahmekönner, in politischen Debatten meldet er sich immer wieder zu Wort. 2020 erhielt der jüdische Künstler das Bundesverdienstkreuz - das er nun nach eigenen Worten fast zurückgegeben hätte

 03.02.2025