Tauschhandel mit Menschen
Nahost: Tauziehen um die Freilassung dreier israelischer Soldaten
von Gil Yaron
»Wir lassen keinen Soldaten auf dem Schlachtfeld zurück« – unter diesem Motto haben sich mehr als 60.000 Israelis vergangene Woche in Tel Aviv versammelt. Sie wollten ihre Solidarität mit drei entführten israelischen Soldaten bekunden: Der Hauptgefreite Gilad Schalit war am 25. Juni von einem Kommando der Hamas in den Gasastreifen entführt worden; am 12. Juli hatte die Hisbollahmiliz zwei israelische Reservisten in den Libanon verschleppt. Die Familien der entführten Soldaten hatten die Kundgebung organisiert und waren darum bemüht, ihr keinen politischen Anstrich zu geben. »Wir haben Politiker darum gebeten, unserer Kundgebung fernzubleiben«, sagte Schlomo Goldwasser, dessen Sohn Ehud sich in den Händen der Hisbollah befindet. »Nur deswegen konnten wir so viele Menschen anziehen.« Der Vater Schalits sagte, man wolle die Regierung nicht bedrohen. »Die Kundgebung soll zeigen, daß die Massen hinter uns stehen. Die Regierung wird den Wink verstehen.«
Israel hat sich inzwischen angeblich mit Schalits Entführern geeinigt, teilte der Präsident der palästinensischen Autonomiebehörde (PA) Machmud Abbas am Montag mit. Demnach soll Schalit den Ägyptern überantwortet werden. Er wird solange in Kairo bleiben, bis Israel mehrere hundert palästinensische Häftlinge freiläßt. Danach soll Schalit heimkehren dürfen und weitere Häftlinge in einem Zeitraum von mehreren Monaten entlassen werden. Die ägyptische Zeitung Al-Hajat schreibt, Schalit befinde sich bereits im Gewahrsam des ägyptischen Geheimdienstes. Schalits Vater und Quellen
im israelischen Außenministerium dementierten den Bericht.
Unterdessen rief die arabische Liga für den 23. September einen Gipfel ein, bei dem neue Friedensinitiativen besprochen werden sollen. Zugleich hat Israels Vizepremier Schimon Peres ein Gipfeltreffen zwischen Premier Ehud Olmert und Abbas angekündigt, sobald Schalit befreit ist.
Im anderen Entführungsfall hat Olmert seine Bereitschaft bekannt gegeben, mit der libanesischen Regierung über die Heimkehr der beiden Reservisten zu verhandeln. Direkte Gespräche mit der Hisbollah lehnen beide Seiten ab. Erste Kontakte mit Beirut sollen mittels des deutschen Unterhändlers, BND-Chef Ernst Uhrlau, aufgenom- men worden sein. Israelische Quellen schlossen dabei erstmals auch die Freilassung Samir Kuntars nicht mehr aus. Kuntar hatte 1979 bei einem Terrorangriff in Naharija vier Israelis getötet. Bisher sollte er nur im Gegenzug für den 1986 verschleppten Piloten Ron Arad freigelassen werden. »Die Regierung muß alles tun, um meinen Sohn nach Hause zu bringen«, hatte Schlomo Goldwasser vor wenigen Tagen gefordert. Die Familie Arads jedoch überlegt, gegen den möglichen Austausch vor dem Höchsten Gericht Klage einzureichen. Sie befürchtet, eine Trumpfkarte in den Verhandlungen mit Arads Entführern zu verlieren.