von Marina Maisel
Erst 1996 fängt der schon lange weltberühmte 74-jährige Maler Samuel Bak an, seine Geschichte aufzuschreiben. So entsteht das Buch »In Worte gemalt. Bildnis einer verlorenen Zeit.« Rachel Salamander, Inhaberin der Literaturhandlung, veranstaltet zusammen mit dem Belz Verlag und B‹nai B‹rith diesen Abend im Jüdischen Museum. Sie freut sich in ihren einführenden Worten sehr auf den außergewöhnlichen Gast und sieht in ihm einen »Künstler des jüdischen Schicksals« und einen »Maler der jüdischen Welt«.
Samuel Bak wurde 1933 in Wilna geboren. Sein Leben ist eine ewige Wanderung. Israel und Schweiz, Frankreich und Italien, Deutschland und Amerika heißen die Stationen seines Lebens. Seit 1993 lebt der Künstler in den USA, in der Nähe von Boston. Dort ist auch das neue Kunstwerk des Malers entstanden – sein Buch.
Als etablierter Maler, dessen Werke in allen großen Metropolen zu finden sind, hatte er bislang alles, was ihn beschäftigte, in Bildern ausgedrückt. Ein Buch zu schreiben wird für ihn zu einer neuen Entdeckung. »Mit dem Schreiben kommt man zu einem viel tieferen Plateau, als mit dem Malen. Malerei ist eine Projektion meiner Fantasie. Ich, ich und ich... Doch ich wollte auch einmal über andere Leute erzählen. Ich wollte mich nur als Beobachter einbringen. Es gibt Dinge, die man nicht malen kann – so ist mein Buch entstanden«, beschreibt Samuel Bak im Gespräch mit dem Moderator dieses Abends, Dieter Heß vom Bayrischem Rundfunk, seine neue Entdeckung.
Entstanden ist so eine grandiose Autobiografie, die den Leser zurückführt zu Baks Geburtsort, Wilna, das gern auch als Jerusalem des Ostens bezeichnet wird und in dem mit dem Einmarsch der Nationalsozialisten jüdische Kultur und jüdisches Leben vernichtet wurde. Samuel Bak erzählt Geschichten seiner Familie: von Großeltern, Tanten, Eltern und Geschwistern, sie alle sind die Protagonisten seiner persönlichen Geschichte und gleichzeitig der Geschichte der osteuropäischen Juden. Mit den Augen eines neunjährigen Knaben und dem Hintergrund des reifen Künstlers beschreibt Samuel Bak das Leben und Überleben im damaligen Wilna. Mit Worten malt er ein Bild in ernsten und humorvollen Tönen und mit Linien, die von der Tragödie bis zur Komödie, von Enttäuschungen und Hoffnungen alle Höhen und Tiefen des Lebens berühren.
Amos Oz bringt es in seinem Vorwort auf den Punkt: »Unter den Hunderten von Büchern, die ich über die Zeit vor und nach der Schoa gelesen habe – Romane, Erinnerungen, Dokumentationen und philosophische Werke, ist Samuel Baks Buch einzigartig. Auch wenn es von überwälti- gendem Verlust, von Schrecken, Erniedrigung und Tod handelt, ist es zugleich ein heiteres, lustiges Buch, das vor Lebenslust, einer fast kathartischen Freude, sprüht.«
Samuel Bak hat sein Buch auf Englisch geschrieben. Den Übersetzer Andreas Nohl stellt er als seine deutsche Stimme vor und bittet ihn, ein paar Passagen aus dem Buch vorzulesen. Dann kommt eine Frage aus dem Saal: In welcher Sprache hat der Autor beim Schreiben gedacht?
»Man weiß nicht, in welcher Sprache man denkt, weil denken abstrakt ist. Sprache ist nur eine Verkleidung, die Abstraktion vom Denken. Ich denke in der Sprache, in der ich spreche«, antwortet Bak bereitwillig und ergänzt lächelnd »Jetzt spreche ich Deutsch – das Jiddisch mit Umlaut.«
Und auch Besucher der Veranstaltungen erinnern sich, zum Beispiel Ruth Melcer. Ihr Mann Josik sel. A., der mit dem Künstler im DP-Lager Landsberg war, hat ihr immer wieder von den Erfolgen des damals jugendlichen Künstlers als Kulissenmaler und Zeichner erzählt.