ehrung

Taten und Taschentücher

Polizisten sind in der Dresdner Gemeinde fast täglich zu Gast. Sie wärmen sich auf, trinken Kaffee, unterhalten sich mit dem Pförtner. Streifenpolizisten der benachbarten Wache, eingeteilt zum Schutz einer jüdischen Einrichtung.
Am vergangenen Donnerstag beschützten sie nicht nur die Synagoge, sondern auch ihre Chefs. Mehr als ein Dutzend Dienstwagen parkten am Hasenberg. Und alle waren da: Vertreter des Innenministeriums, des LKA, des Staatsschutzes, des Verfassungsschutzes, der Polizeidirektion. Und natürlich der Landespolizeipräsident selbst. Seine blaue Uniform und die goldbetresste Schirmmütze hatte er gegen einen dunklen Anzug getauscht: Bernd Merbitz. Bescheiden stand der Vorgesetzte al- ler sächsischen Polizisten neben der Präsidentin des Zentralrats der Juden, Charlotte Knobloch, auf der Bühne und nahm die Ehrung entgegen: den Paul-Spiegel-Preis für Zivilcourage. Er sei am Morgen ganz aufgeregt gewesen, gab er zu, seine Frau habe ihm ein Paar Taschentücher mitgegeben, die er auch brauche.
Merbitz wirkt an diesem Tag etwas ungelenk. Unten, in der ersten Reihe, sitzen die Vertreter des Zentralrats der Juden, des Freistaates Sachsen, der jüdischen Gemeinden von Leipzig, Chemnitz und Dresden, die Witwe Paul Spiegels.
Er habe sich nicht nur weit über seine Dienstpflichten hinaus engagiert, lobt Charlotte Knobloch den Gründer der legendären Sonderkommission Rechtsextremismus, Soko Rex. Sogar nach Bedrohungen und Verleumdungen habe Merbitz sei- nen Weg unbeirrt fortgesetzt. Ohne Menschen wie ihn würde sich der braune Sumpf wahrscheinlich noch schneller ausbreiten. Sie findet drastische Worte für das Problem, gegen das Bernd Merbitz seit fast 20 Jahren kämpft. 2008 seien rechtsextreme Straftaten um 15 Prozent angestiegen. Das reiche vom Zeigen des Hitlergrußes über das Verbreiten rechtsradikaler CDs bis hin zur Schändung jüdischer Friedhöfe, konstatiert die Präsidentin, als wolle sie den anwesenden Staatslenkern sagen: Verbietet endlich die NPD!
Knobloch spricht Merbitz direkt an: »Mit Ihrer zutreffenden Voraussage, nach der sich die NPD von einem losen Haufen zu einer organisiert tickenden Zeitbombe entwickeln wird, unterstrichen Sie schon Mitte der 90er-Jahre die Notwendigkeit konsequenter Schulungsmaßnahmen innerhalb des Polizeiapparates, um dem Problem des Rechtsextremismus professionell begegnen zu können.« Sie braucht nicht zu erwähnen, dass Bernd Merbitz damals in seiner Arbeit behindert, dass die Soko Rex zeitweise verkleinert worden war; das wissen die meisten Anwesenden. Ja, der Chef der Abteilung Staatsschutz durfte seinerzeit nicht mehr öffentlich über rechtsradikale Auswüchse im Freistaat Sachsen sprechen. Das lässt der Paul-Spiegel-Preisträger dann vorsichtig in seiner Dankesrede durchblicken.
Die Initialzündung für sein Engagement seien die Ereignisse von Hoyerswerda 1991 gewesen. Da trieben glatzköpfige Neonazis Ausländer durch die Straßen. Viel zu lange sei das Problem unterschätzt worden, resümiert er. Erst als die NPD mit über neun Prozent in den sächsischen Landtag einzog, sei man aufgewacht.
Nach der Veranstaltung gibt es Häppchen und Wein. Die Gäste wünschen sich viel Glück. Und dann fahren all die Minister, Polizeidirektoren, Staatsschützer mit ihren Dienstwagen davon. Zurück bleiben zwei Streifenpolizisten und das Gefühl, dass diese moderne Synagoge am Rande der alten Festungsmauern wieder ein verletzlicher Ort ist. Wolfram Nagel

Düsseldorf

Igor Levit: Bin noch nicht fertig mit diesem Land

Am Klavier ist er ein Ausnahmekönner, in politischen Debatten meldet er sich immer wieder zu Wort. 2020 erhielt der jüdische Künstler das Bundesverdienstkreuz - das er nun nach eigenen Worten fast zurückgegeben hätte

 03.02.2025

Berlin

Kreise: Union will Gesetz doch zur Abstimmung stellen

Hinter verschlossenen Türen wurde in den Unionsparteien viel über das »Zustrombegrenzungsgesetz« gesprochen. Nun gibt es laut Teilnehmern eine Entscheidung

 31.01.2025

Kommentar

Der stumme Schrei der Arbel Yehoud

Die Israelin wurde am Donnerstag von den Hamas-Terroristen endlich freigelassen. Die junge Frau muss unvorstellbare Qualen ausgestanden haben

von Nicole Dreyfus  31.01.2025

Österreich

»Gegen Antisemitismus und Antizionismus aufstehen«

Der Bundeskanzler, dessen ÖVP Koalitionsgespräche mit der rechtsextremen FPÖ führt, sagt, weder Hass noch Ausgrenzung dürfe Platz geboten werden

 27.01.2025

Irland

Eklat mit Ansage beim Holocaust-Gedenken

Nach seinem Exkurs zum Gaza-Krieg bei der Gedenkfeier in Dublin hagelt es scharfe Kritik am irischen Staatspräsidenten

von Michael Thaidigsmann  27.01.2025

Berlin

Scholz zu Auschwitz-Gedenken: Müssen Erinnerung hochhalten

Am 80. Jahrestag der Befreiung des ehemaligen deutschen Vernichtungslagers wird der Opfer des NS-Terrors gedacht. Viele Zeitzeugen sind mittlerweile gestorben

 27.01.2025

Gedenken

Mehr Menschen sollen sich Auschwitz anschauen

Wer einmal dort war, stelle sich die Frage, warum die Erinnerung wachgehalten werden muss, nicht, so Zentralratspräsident Schuster

 26.01.2025

Geisel-Abkommen

Scholz: Es müssen weitere Geiseln freikommen

Noch immer sind auch deutsche Staatsbürger in der Gewalt der Hamas

 25.01.2025

Thüringen

Buchenwald-Komitee droht mit Boykott von Gedenkfeiern

Die mögliche Wahl des AfD-Abgeordneten Jörg Prophet zum Vizepräsidenten des Landtags sorgt für Zündstoff. Zuletzt signalisierte die CDU von Ministerpräsident Mario Voigt Gesprächsbereitschaft gegenüber der AfD

 24.01.2025