NPD

Taktisch zurückhaltend

von Henning Flad

Ein flüchtiger Blick auf das Wahlkampfmaterial der NPD in Mecklenburg-Vorpommern könnte zu der Annahme verleiten, die Partei setze primär auf Sozial- und Arbeitsmarktpolitik und weniger auf klassisch neonazistische Themen. Man verspricht »Ausbildungsplätze für alle Deutschen« und »Freizeiteinrichtungen«. Auch wenn eine rassistische Note nicht fehlt (»Asylbetrüger raus«), so lautet die Überschrift eines der zentralen Wahlkampfflugblätter: »Touristen willkommen« – denn die schaffen Arbeitsplätze. Zeichen einer ideologischen Mäßigung?
Besonders in Wahlkämpfen unterscheidet die NPD deutlich zwischen Propaganda für die breitere Öffentlichkeit und die eigene Kernklientel. Nur in der ersteren stehen Sozial- und Arbeitsmarktpolitik im Vordergrund. Für die eigene Klientel gilt, was der Soziologe Fabian Virchow in einer Untersuchung von neonazistischen Aufmärschen in den Jahren 1998 bis 2004 herausfand: Historische Themen sind identitätsbestimmend. Mit deutlichem Abstand zu Bereichen wie staatliche Repression, Arbeitslosigkeit oder Hartz IV hatten Aufmärsche, die NS-Führungspersonal oder Wehrmacht verherrlichten, die meiste Resonanz gefunden. In Wahlkämpfen präsentiert sich die NPD als gegenwartsorientiert, in ihrem Kern ist sie rückwärtsgewandt – und antisemitisch.
Schon ein flüchtiger Blick in NPD-Publikationen zeigt, daß judenfeindliche Hetze allgegenwärtig ist. Zwar finden sich keine offenen Mordaufrufe oder unverhüllte Holocaustleugnung, doch die Gründe hierfür sind primär im Strafrecht und in taktisch motivierter Zurückhaltung zu suchen. Wenn auch verschleiert, bleibt der Antisemitismus ein zentrales Kernelement neonazistischer Ideologie.
In einem Kommentar in der September-Ausgabe des NPD-Blattes Deutsche Stimme heißt es: »Israel ist unter seinem Ministerpräsidenten Olmert das einzige Land, das im Schutze historischer Halbwahrheiten Menschenrechtsverletzungen begehen kann.« Und: »Der Libanon wird nur ein Etappenziel für die machthungrige zionistische Elite sein, die ihren wahnhaften Auserwähltheitstraum auf Kosten des Lebens von Kindern und Frauen träumt.« Hier ist versammelt, was zum antisemitischen Standardinventar gehört: subtile Holocaustleugnung, Kindermordlegende, der Vorwurf an Juden, über besondere Macht zu verfügen und Pläne zur Erringung der Weltherrschaft zu schmieden. Der antisemitische Wahn beschränkt sich in seinen Vernichtungswünschen nicht auf die Juden in Deutschland, sondern ist prinzipiell und schließt auch den Staat Israel mit ein.
Diese Form von strafrechtlich möglichst nicht anfechtbaren Anspielungen ist typisch. So heißt es in einem Lied der baden-württembergischen Gruppe »Carpe Diem«, das auf einer Schulhof-CD enthalten ist, die während des Wahlkampfes in Mecklenburg-Vorpommern verteilt wurde: »Eine Macht, der das Geld gehört seit viel zu langer Zeit, eine Macht, die Konflikte schürt, gemeinsam machen wir uns frei. (…) Für Profit und ihren Herrschaftsplan haben sie die Völker verkauft, unsere Väter aufeinander losgehetzt und ihre Loyalität mißbraucht. Hinter Humanität und Scheinmoral verstecken sie ihr wahres Gesicht, doch wir sehen, wer hinter den Kulissen steht, Ihr führt uns nicht mehr hinters Licht.« Das Wort »Jude« muß gar nicht mehr erwähnt werden. Die Band kann darauf setzen, daß die Zuhörer das Motiv der jüdischen Weltverschwörung und des Finanzkapitals erkennen, das hinter allem Übel steckt.
Mit ihren antisemitischen Wahnvorstellungen stellt die Szene ideologisch den Zusammenhang zwischen verschiedenen vermeintlich gegen das »deutsche Volk« gerichteten Ereignissen her: Ob Sozialabbau, »Schuldkomplex« und »Kriegsschuldlüge« oder Migration in Deutschland bis hin zu wirtschaftlicher und kultureller Globalisierung (»Verlust nationaler Identität«) – in diesem paranoiden Weltbild werden am Ende für alles Juden verantwortlich gemacht. In diesem Sinne ist es denn auch antisemitisch konnotiert, wenn Neonazis Hartz IV oder den Verlust von Arbeitsplätzen thematisieren.

Debatte

Schweden stoppt Unterstützung von UNRWA

Hintergrund des Schrittes ist die Entscheidung Israels, der UNRWA wegen ihrer Verwirklichung in den palästinensischen Terror jegliche Tätigkeit auf israelischem Territorium zu untersagen

 20.12.2024

Kunst

Leitung der documenta 16 wird heute bekanntgegeben 

Wer wird die nächste documenta kuratieren? Die Findungskommission der für 2027 geplanten Schau will ihre Entscheidung jetzt bekanntgeben

von Nicole Schippers  17.12.2024

Nach Assad-Sturz

Libanesischer Politiker ruft Landsleute zur Rückkehr auf

Im von zahlreichen Krisen geplagten Libanon herrscht neue Zuversicht. Nach den Worten eines wichtigen Politikers ist die Weihnachtsfreude in diesem Jahr gar »doppelt so groß«

 17.12.2024

Berlin

Chanukka-Basar in der Synagoge Pestalozzistraße: Kuchen, koscherer Glühwein und ein Bühnenprogramm

Am Sonntag findet der Basar im Innenhof der Synagoge statt. Es gibt ein vielfältiges Bühnenprogramm. Auch die »The Swinging Hermlins« werden auftreten

von Christine Schmitt  13.12.2024

Thüringen

Mario Voigt mit Stimmen der Linken zum Ministerpräsident gewählt

Der CDU-Politiker brauchte nur einen Wahlgang

 12.12.2024

Antisemitismus

RIAS: AfD ist eine Gefahr für Juden in Deutschland

Die Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus präsentierte auch neue Zahlen zu antisemitischen Vorfällen

 11.12.2024

Amsterdam

Nach antisemitischer Hetzjagd: Haftstrafen für drei Angeklagte gefordert

Einen Monat nach den Übergriffen stehen nun sieben Menschen vor Gericht

 11.12.2024

Brandenburg

Antisemitismusbeauftragter fordert Priorisierung der Bildungsarbeit

Auch die Sicherheit jüdischer Einrichtungen und Menschen müsse gewährleistet werden, sagte Büttner

 10.12.2024

Berlin

Nach dem Sturz von Assad: Wie geht es nun weiter für die syrischen Flüchtlinge in Deutschland?

von Anne-Béatrice Clasmann  09.12.2024