Im Idealfall soll die Generalversammlung der Jewish Agency die Einheit zwischen Israel und der Diaspora demonstrieren. Nun aber sind Ideale schwer zu erreichen. So erinnerte das diesjährige Treffen eher an Szenen einer zerstrittenen Ehe als an traute Gemeinsamkeit. Als Protagonisten traten die israelische Regierung auf der einen und amerikanische Mäzene der Agency auf der anderen Seite gegeneinander an.
Ein Kernpunkt der Debatte war die von amerikanischen Geldgebern geforderte Entpolitisierung der Sochnut (Agentur). Künftig dürfe deren Vorsitzender nicht mehr vom israelischen Premier, sondern nur von einem Nominierungsausschuss vorgeschlagen werden und sollte kein alt gedienter israelischer Politiker sein. Zudem müsse die Sochnut von der Zionistischen Weltorganisation (WZO) abgekoppelt werden. Das behagte der Regierung in Jerusalem ganz und gar nicht. Die enge Bindung an die israelische Politik, so Diasporaminister Juli Edelstein im Vorfeld der Versammlung, mache die besondere Stellung, die die Sochnut im Lande genieße, erst möglich. Falls aber »einige Aktivisten« eine Scheidung von Israel wollten, sei das ohne weiteres machbar. In diesem Fall aber könnte die Regierung einen Teil der 130 Millionen Dollar, die sie jährlich für die Jewish Agency bereitstelle, »anderen Partnern« zukommen lassen.
Es geht aber nicht nur um Grundsätzliches, sondern auch um Personalien. Im April hatte Benjamin Netanjahu den ehemaligen Sowjetdissidenten und späteren israe- lischen Minister, Natan Scharanski, für den Sochnut-Vorsitz nominiert. Für viele eine einleuchtende Wahl. Wer wäre besser geeignet, die wichtigste zionistische Einrichtung der Welt zu führen als der ehemalige Alijah-Aktivist, der für seinen Einsatz zugunsten der Menschenrechte und der jüdischen Emigrationsfreiheit zehn Jahre lang in sowjetischen Gefängnissen und Arbeitslagern büßen musste? Aus der Sicht amerikanischer Mäzene hatte der Kandidat jedoch zwei Makel. Zum einen war der seit 23 Jahren in Israel lebende Freiheitskämpfer zu sehr zum Politiker geworden. Zum anderen warfen sie Netanjahu vor, seinen politischen Verbündeten ohne angemessene Rücksprache mit der jüdisch-amerikanischen Führung ins Rennen geschickt zu haben. So erklärte Joe Kanfer, Vorsitzender der amerikanischen Dachorganisation jüdischer Gemeindeverbände zwar, »Scharanski sollte ernsthaft in Erwägung gezogen werden«, fügte aber hinzu: »Das Verfahren muss ordnungsgemäß durchgeführt werden.« Um ihren Standpunkt zu verdeutlichen, weigerten sich die amerikanischen Amtsträger, Scharanskis Ernennung schon im Vorfeld abzunicken. Daraufhin sagte der erzürnte Netanjahu seine Rede vor den Delegierten ab – ein beispielloser Vorfall.
Am Ende wollten jedoch weder Israelis noch Amerikaner die Scheidung riskieren. Am Dienstag dieser Woche votierte die Generalversammlung der Jewish Agency für die Strukturreform. Im Gegenzug signalisierten die Reformer ihre Bereitschaft, Scharanski zum Chef der neu aufgestellten Sochnut zu küren. Am Mittwochmorgen gingen Beobachter davon aus, dass der Ex-Minister diesmal auch den Vorsitz der WZO übernehmen werde. Für Scharanski wäre die Ernennung nicht nur eine persönliche Bestätigung, sondern auch eine Herausforderung. »Natan ist eine herausragende Persönlichkeit«, lobt ein ranghoher Mitarbeiter der Jewish Agency. »Das kann ihm helfen, die Sochnut in eine neue Ära zu führen.« Wolf Silberbach
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