EILMELDUNG! Internationaler Strafgerichtshof erlässt Haftbefehl gegen Israels Premier Netanjahu

Hohepriester

Symbolkraft

von Rabbiner Jaron Engelmayer

»Kleider machen Leute« lautet ein bekanntes Sprichwort. Es will sagen, dass sich die Menschen von der Kleidung beeinflussen lassen. Der Einfluss wirkt sich dabei nicht nur auf die Umgebung, sondern oft auch auf den Träger der Kleider selbst aus, wie sich anhand folgender Geschichte, die sich im 19. Jahrhundert in einem Städtchen Osteuropas zutrug, veranschaulichen lässt:
Chojsek, ein für seine Einfältigkeit bekannter Jude, kam spät des Nachts in einem vollbelegten Wirtshaus an und bat um Übernachtung. Schließlich ließ der Wirt sich erweichen und erlaubte ihm, das zweite Bett eines Zimmers zu benutzen, in dem bereits ein General schlief. Er müsse jedoch aus dem Zimmer, bevor der General aufwache. Gesagt, getan, und Chojsek wurde um fünf Uhr früh geweckt. Schnell kleidete er sich im Dunkeln an und verließ unbemerkt das Zimmer. Wie aber war er überrascht, als man ihn plötzlich überall respektvoll grüßte: im Wirtshaus, auf der Straße, ja sogar ein ganzer Trupp Soldaten machte ehrfürchtig Halt und salutierte. Chojsek verstand die Welt nicht mehr – bis er nach Hause kam und vor einem Spiegel gewahr wurde, dass er statt seiner gewöhnlichen Kleidung die komplette Uniform des Generals trug. Im selben Moment verstand Chojsek, griff sich an die Stirn und rief aus: »Dieser Dummkopf von einem Wirt! Hat er doch tatsächlich statt meiner den General geweckt!«
Es ist wahr, Kleider wirken sich stark auf unser Selbstverständnis und Selbstwertgefühl aus. So kann sich ein Mensch binnen Sekunden verändern, sich verschieden verhalten und fühlen, ja sogar eine andere Identität annehmen, wenn er eine Uniform überzieht. Als Soldat, Polizist oder selbst als gewöhnlicher Beamter wird er nun von der Umwelt ganz anders wahrgenommen, und dies weiß und fühlt der Mensch. Sein Selbstbewusstsein steigert sich, denn er fühlt sich nun einer bedeutenden, bekannten und anerkannten Einheit zugehörig, einer Einheit, in der er sich sicher, geborgen und stark fühlt. So befürworten viele Schulen rund um den Globus eine Schuluniform, um diese Gefühle bei den Schülern hervorzurufen.
Auch in unserem Wochenabschnitt spielen Kleider eine wichtige Rolle. Ihrer tieferen Bedeutung wollen wir im Folgenden etwas auf die Spur kommen. Beschrieben werden die Kleider der Priester. Diese sind einheitlich und von höchster Einfachheit: Vier vorwiegend weiße, aus Leinen bestehende Kleidungsstücke sollen sie zieren. Einfachheit und Bescheidenheit sollen die Würdenträger beim Gottesdienst im Heiligtum auszeichnen. Nicht ihrer eigenen Verdienste wegen, sondern als Gesandte des jüdischen Volkes stehen sie vor dem Ewigen und dienen Ihm in Demut und Zurückhaltung. Stolzer Individualismus wäre hier unzulässig und fehl am Platz.
Einzig der Hohepriester wird prachtvoll ausgestattet. Ihn bekleiden acht bunte, aus edlen Stoffen und wertvollen Metallen höchst kunstfertig hergestellte Stücke. Auch hier gilt: Die Kleider sind nicht rein zufällig oder etwa nach dem neuesten Modetrend gewählt, sondern sie sollen ewige göttliche Werte zum Ausdruck bringen. Zu ihnen gehört zum Beispiel das »Ziz«, das goldene Stirnband mit der Aufschrift: »Heilig für den Ewigen«. Mit dem Ziz verbindet sich der Befehl, dass es ständig auf der Stirn getragen werden soll (2. Buch Moses 28, 36-38). Dies symbolisiert eine der Bedingungen, die von dessen Träger verlangt werden und die in den Worten König Davids in den Psalmen wiedergegeben wird: »Ich halte mir den Ewigen stets vor Augen« (Psalmen 16, 8). Den Hohepriester soll das stete Bewusstsein um die Gegenwart des Ewigen begleiten und ihn zu einer überlegten, sorgfältigen und vor allem demütigen Verhaltensweise anleiten.
Ein weiteres hervorstechendes Element des hohepriesterlichen Sortiments ist der prächtige Brustschild. Er trägt zwölf in allen Farben schillernde edle Steine, ein jedem Stamm eigener Stein, mit eingravierten Stammesnamen, in vier Reihen angeordnet. Und wiederum folgt der Beschreibung des Schildes in der Tora ein ähnlicher Befehl wie schon beim Stirnband: »...und Aharon (als erster Hohepriester stellvertretend für alle weiteren) soll das ›Recht‹ (gemeint ist der ›Schild des Rechts‹, wie der Brustschild genannt wird) der Kinder Israels ständig vor dem Ewigen auf seinem Herzen tragen« (2. Buch Moses 28, 30). Dies stellt eine weitere Anforderung an den Hohepriester dar, solange er die acht besonderen Dienstkleider trägt: Sein Herz soll stets mit dem jüdischen Volk verbunden sein!
Nur bei den genannten zwei Kleidungsstücken ist das Tragen in der Beschreibung der Tora mit dem Adverb »stets« oder »ständig« versehen. Der Hohepriester soll mit den beiden von ihm geforderten Bedingungen jedem jüdischen Menschen als ideales Vorbild dienen. Den Verstand, die Gedanken und das Bewusstsein stets auf die Gegenwart des Ewigen ausgerichtet, während das Herz sich fortwährend mit dem jüdischen Volk verbunden fühlt, diese zwei vorbildlichen Eigenschaften soll der Hohepriester verkörpern. In seinen Dienstkleidern sollen sie sich widerspiegeln.
Auch die Tefillin, die Gebetsriemen, sollen uns gewöhnlichen Juden jeden Tag diese zwei Eigenschaften in Erinnerung und ins Bewusstsein rufen. Mit der einen Tefilla auf der Stirn, dem Gehirn gegenüber, und der anderen auf dem Arm, dem Herzen gegenüber, suchen wir die Verbindung von Gefühl und Verstand. Ihre Ausrichtung auf den Ewigen und das jüdische Volk und deren Verankerung in unserem Bewusstsein sollen uns durch den Tag begleiten und unser Denken und Handeln leiten. Ob Kleider Leute machen, bleibt dahingestellt. Aber auf jeden Fall können sie wesentliche Dinge zum Ausdruck bringen und das Bewusstsein um diese Dinge fördern. Dinge, die aus Leuten besondere Menschen machen.

Der Autor ist Rabbiner der Jüdischen Gemeinde Aachen.

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