von Gisela Burger
In der Halle auf dem jüdischen Friedhof in der Würzburger Werner-von-Siemens-Straße hängt eine Tafel mit Namen von Gefallenen des Ersten Weltkriegs, 1918 gestiftet von einer jüdischen Studentenverbindung. »Die Nazis müssen das Stück übersehen haben«, sagt Karl Grün vom Initiativkreis Shalom Europa. Er könne sich nicht anders erklären, wie das Denkmal für jüdische Soldaten sonst die NS-Zeit überstehen konnte. Seit 1881 existiert der Friedhof im heutigen Gewerbegebiet Lengfeld. Er ist der jüngste in der Geschichte der Gemeinde und liegt außerhalb des Stadtkerns, eine Seitenstraße ist nach dem 1999 verstorbenen Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde, David Schuster, benannt.
Der älteste Friedhof befand sich auf dem Gelände des heutigen Juliusspitals an der Juliuspromenade im Stadtzentrum, das Fürstbischof Julius Echter 1576 errichtete. Echter vertrieb die Juden aus der Stadt. Erst 1803 zogen wieder jüdische Familien zu. Unter ihnen befand sich auch Jakob Hirsch (1789-1840), späterer Bankier und wichtiger Finanzier des bayerischen Staates.
Wie der alte Friedhof blieben in Würzburg viele Zeugnisse jüdischen Lebens nur in Form von Denkmälern erhalten. So beispielsweise auch die ehemalige Synagoge in der Domerschulstraße hinter dem Diözesan-Archiv, ganz in der Nähe des Doms. Erst vor wenigen Wochen wurde hier eine Erinnerungsplakette eingeweiht. Eine kleine Grünanlage umgibt die Umrisse des 1841 errichteten Gebäudes, das hier bis 1945 stand und in der einst Seligmann Bär Bamberger, der Begründer der Würzburger Orthodoxie, als Rabbiner wirkte.
In der Ursulinergasse, etwa 300 Meter vom Rathaus entfernt, befindet sich das Geburtshaus des Journalisten Felix Fechenbach (1894-1933), der seine Jugend in der Stadt verbrachte. Als Redakteur des sozialdemokratischen »Volksblatts« in Detmold schrieb Fechenbach kritisch über die Nazis. 1933 wurde er verhaftet und auf dem Weg ins KZ Dachau ermordet. Sein Geburtshaus beherbergt heute das urfränkische Lokal Backöfele. Auf dem Gehsteig erinnern drei mit Messingplatten versehene Pflastersteine an Fechenbach und seine zwei Brüder, die ebenfalls ermordet wurden. »Felix-Fechenbach-Haus« nennen die Würzburger das Stadtteilzentrum ihres Viertels Grombühl, einen modernen, hellgrauen Bau in der Nähe der Universitätsklinik.
Weiteren Würzburger Juden sind in den vergangenen Jahren sogenannte Stolpersteine gesetzt worden. Insgesamt sind es 46, die der Kölner Künstler Gunter Demnig im Stadtgebiet verlegt hat. Vor dem Kaufhof in der Schönbornstraße in der Fußgängerzone sind die Namen der Familie Ruschkewitz auf drei Steinen verzeichnet. Ernst Ruschkewitz’ »Wohlwert«-Filialen wurden 1935 »arisiert«. Versandhauschef Josef Neckermann übernahm sie und baute auf ihnen seinen späteren Kaufhaus-Konzern auf.
An einen großen Sohn der Stadt erinnert eine Tafel an einem Haus in der Augustinerstraße in der Innenstadt, zwischen Rathaus und Polizeipräsidium. Hier kam der bekannte israelische Dichter Yehuda Amichai 1924 als Ludwig Pfeuffer auf die Welt. Im vergangenen Jahr wurde eine kleine Straße nach ihm benannt. Sie liegt in den Ringanlagen und verläuft zwischen der Fachhochschule in der Münzstraße und dem Studentenhaus am Exerzierplatz. Bei der Einweihung war Hana Amichai, die Witwe des Schriftstellers, zu Gast. Seine Wurzeln vergaß Amichai nicht, in seinem Roman Nicht von jetzt, nicht von hier setzte er seiner Geburtsstadt ein Denkmal.
Ebenso tat es jener dichtende jüdische Arzt, der 1220 im damaligen Dietrichspital tätig war. Wahrscheinlich ist er identisch mit dem Minnesänger Süßkind von Trimberg. Zu seiner Zeit befand sich das jüdische Viertel am Würzburger Markt, dort, wo heute die Marienkapelle steht und 1349 viele Juden der Stadt einem Pogrom zum Opfer fielen.