von Heidi Hechtel
Als Schüler aus Echterdingen vor 30 Jahren Nachforschungen über das ehemalige KZ auf dem Boden ihrer Heimatgemeinde anstellen wollten, wurde abgewinkt: Bloß nicht an diese alten Geschichten rühren! Doch die Opfer blieben nicht stumm. Bauarbeiten am Stuttgarter Flughafen brachten im vergangenen September ein Massengrab mit den sterblichen Überresten von 34 Toten ans Licht. »Es war wie eine Fügung«, hieß es in der vergangenen Woche übereinstimmend bei der Informationsveranstaltung der Landeszentrale für politische Bildung für Pädagogen und angehende Lehrer im Stuttgarter Haus der Geschichte. Denn damit sei die Forschung endlich wieder in Bewegung gekommen.
Es war nie ein Geheimnis, daß von November 1944 bis Januar 1945 in Echterdingen eine Außenstelle des KZ Natzweiler-Stuthof existierte, 600 Häftlinge hier unter erbärmlichsten Bedingungen vegetierten, beim Bau der Start- und Landebahn und in einem Steinbruch schwerste Arbeit verrichten mußten, an Hunger und Erschöpfung starben. »Man wußte auch von einem Massengrab unter der Landebahn und einem weiteren im Bernhäuser Forst«, betont die Historikerin Gudrun Silberzahn-Jandt, die bereits vor elf Jahren darauf hin- gewiesen hatte. Doch damals habe nie- mand reagiert.
Bekannt waren lediglich die Namen von 19 Opfern, die auf einem Esslinger Friedhof bestattet worden waren. Jetzt kennt man alle 600 Namen, man weiß von 17 Überlebenden. Zwei von ihnen kamen aus Amsterdam und München nach Stuttgart, als die Opfer am 15. Dezember beigesetzt wurden (vgl. Jüdische Allgemeine vom 22. Dezember, Seite 20). »Wir sind dankbar, daß uns das Staatsministerium unterstützte und wir die Opfer an Ort und Stelle bestatten konnten«, erinnert Barbara Traub, die Vorstandssprecherin der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württemberg, an vorhergegangene Diskussionen um die letzte Ruhestätte. Auch der ursprüngliche Wunsch der Staatsanwaltschaft und mancher Angehöriger nach einer Identifizierung der sterblichen Überreste durch DNA-Tests habe abgelehnt werden müssen. Im Judentum sind körperliche Unversehrtheit und absolute Grabesruhe unabdingbar, erklärt der ehemalige württem- bergische Landesrabbiner Joel Berger. »Ich bin guten Mutes, daß wir trotzdem noch mehr aufklären können«, sagt dazu der ermittelnde Oberstaatsanwalt Bernhard Häußler.
Die Gemeinden Leinfelden-Echterdingen und Filderstadt denken, wie ihre Vertreter berichteten, über eine Gedenkstätte nach. Viele Bürger und junge Menschen hätten mit Interesse und großer Anteilnahme auf den Fund reagiert. Am 22. März soll die Auftaktveranstaltung zur Geschichtswerkstatt KZ Echterdingen stattfinden. Die Gräber selbst bleiben für die Öffentlichkeit unzugänglich. Zum einen liegen sie auf militärischem Gebiet und zum anderen solle endlich die Ruhe der Toten gewahrt werden, sagt Barbara Traub.