von Christoph Gunkel
Es war das Massaker eines Palästinensers an acht jüdischen Religionsschülern in Jerusalem, das David zum Internetkämpfer machte. Kurz nach dem Mord im März dieses Jahres wurde im Internetnetzwerk Facebook eine Freundesgruppe gegründet – und die pries den Mörder als Märtyrer.
Für David war dies der Schlüsselmoment, »eine ähnlich deutliche Antwort zu geben«. Mit Mitstreitern gründete er die Internetseite »Jewish Internet Defense Force« (JIDF) – in Anspielung auf die israelischen Streitkräfte IDF. Ebenso martialisch wie der Name ist das Logo der JIDF: Ein Kampfjet vor der Israelflagge.
Das Ziel der JIDF ist es, gezielt gegen Online-Antisemitismus und Hasstiraden im Web 2.0 vorzugehen – in beliebten sozialen Netzwerken wie Facebook, Wikipedia oder Youtube. Der Preis der Arbeit: Nach Morddrohungen möchte David nicht mehr über sich verraten als seinen Vornamen. Die JIDF sucht nach antisemitischer Propaganda, meldet sie dem Betreiber und animiert andere Nutzer, Gleiches zu tun. Etwa 5.000 Mitstreiter hat sie nach eigenen Angaben. Zudem verfügt die JIDF noch über »andere Mittel«, sagt David. So sei es gelungen, »Dutzende Facebook-Gruppen zu infiltrieren und zu zerstören.« Die größte habe 118.000 Mitglieder gehabt und für die Hisbollah geworben. Das stellt eigentlich unpolitisch konzipierte soziale Netzwerke vor große Probleme, weil sie als Propagandaplattformen missbraucht werden.
In Facebook-Gruppen findet man beispielsweise Bilder von getöteten palästinensischen Babys oder von Kindern, die mit Sprengstoffgürtelattrappen posieren. In unzähligen Kommentaren bekräftigen Nutzer aus der ganzen Welt, dass »wir alle Israel hassen«, das Land sei »das Krebsgeschwür im Nahen Osten, eine Krankheit, die wir zerstören müssen«. Es gibt sogar eine ganze Gruppe, deren Zweck die Leugnung des Holocaust ist.
Das Ganze ist mehr als eine höchst unappetitliche Spielwiese für Radikale und Hassprediger. Facebook ist das größte Freundesnetzwerk der Welt und hat nach eigenen Angaben über 100 Millionen aktive Nutzer. Botschaften verbreiten sich nach dem Schneeballsystem. Sobald jemand einer der Hassgruppen beitritt, werden all seine Freunde darüber informiert.
»Hätte es Facebook zu Zeiten von Hitlers Aufstieg gegeben, die Nazis hätten wohl davon Gebrauch gemacht«, glaubt der Australier Andre Oboler, der derzeit an einem Buch über »Antisemitismus 2.0« arbeitet. Oboler befürchtet, die sozialen Netzwerke im Internet könnten eine »neue globale Antisemitismuswelle« auslösen und die »soziale Akzeptanz von Judenhass erhöhen«. Den meisten Betreibern fehle derzeit »die Kompetenz für die angemessene Antwort« – auch Facebook.
So forderte eine Hassgruppe mit über 48.000 Mitgliedern Facebook zynisch auf, Israel aus dem systemeigenen Ländermenü zu entfernen – und wurde erst nach anderthalb Jahren von Facebook gelöscht. Zwar verbieten die eigenen Richtlinien die Verbreitung von »aufrührerischen« oder »rassistischen« Inhalten. Doch auf die antiisraelischen Gruppen angesprochen, reagiert eine Pressesprecherin mit einer Gratwanderung: Man lösche zwar Gruppen, die Gewalt androhen oder von Terrororganisationen unterstützt werden. »Allerdings schließen wir keine Gruppen, die sich gegen Länder, politische Einheiten oder Ideen aussprechen.«
Ziel sei ein »sensibles Gleichgewicht« zwischen Meinungsfreiheit und Sicherheitsbedürfnis der Nutzer. Doch selbst diese Maßstäbe hält Facebook nicht ein – sonst dürfte es Gruppen wie »Hamas Fan« nicht mehr geben.
Und was Facebook mit der Gruppe der Holocaustleugner machen wird, die schon seit Juli 2007 existiert, hat die Pressesprecherin in ihrer schriftlichen Antwort diskret ausgespart.