Michael Sommer nickt zustimmend. Der Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes will seinen Kollegen von der israelischen Histadrut, Ofer Eini, nicht unterbrechen. Der spricht an diesem Abend im alten West-Berliner Gewerkschaftshaus in der Keithstraße gerade über die schwierige Situation, in der sich seine Gewerkschaft international befindet. Und dass es ja seit Ende April eine Organisation gibt, die sich gegen die immer wiederkehrenden Boykottaufrufe wendet. TULIP heißt sie, Trade Unions Linking Israel and Palestine, gegründet von australischen, nordamerikanischen und britischen Gewerkschaftern. »Ich hoffe, dass sich Michael Sommer dem anschließt.« Sommer nickt und will sich im DGB für eine offizielle Unterstützung von TULIP einsetzen.
Das Ziel von TULIP ist es, »gegen die Apologeten von Hamas und Hisbollah in der Arbeiterbewegung« vorzugehen. Im vergangenen Monat kam ein Boykott-Beschluss aus Norwegen, zuvor vom schottischen Gewerkschaftskongress. Angefangen hatte 2007 die britische Gewerkschaft UNISON damit. »Da war ich sehr konsterniert«, sagt Michael Sommer. »UNISON ist nämlich eine große Gewerkschaft.« Etwa 1,3 Millionen Mitglieder hat die Interessenvertretung des öffentlichen Dienstes. Kurz danach war es der mächtige Kongress der südafrikanischen Gewerkschaften, der einen solchen Beschluss fällte.
Spätestens das führte zur Gründung von TULIP. Vier Gründe tragen die Gewerkschafter vor, warum sie Kampagnen gegen israelische Produkte ablehnen: »1. Weil Boykotte kontraproduktiv sind und nur die Extremisten auf beiden Seiten stärken. 2. Weil Boykotte eine stumpfe Waffe und eine Form kollektiver Bestrafung sind. 3. Weil die Gleichsetzung mit Südafrika komplett falsch ist – Israel ist kein Apartheidstaat und 4. weil wir vor allem praktische Hilfe geben müssen, um Brücken zwischen israelischen und palästinensischen Arbeitern und ihren Gewerkschaften zu bauen.«
An solchen Brücken wird ständig gebaut. Als vor anderthalb Jahren die palästinensische Autonomieverwaltung die Gehälter nicht zahlen konnte, leistete die Histadrut gewerkschaftliche Solidarität mit den Arbeitern und Angestellten. »Wir haben einen allgemeinen Arbeitskampf ausgerufen«, berichtet Ofer Eini. »Es kam zum Streik, und zwar so lange, bis die Arbeiter ihren Lohn bekamen. In wenigen Fällen konnten die lokalen Behörden aufgrund juristischer Probleme das Geld nicht zahlen. Da hat die Histadrut den Betrag vorgestreckt.« Martin Krauß
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