von Baruch Rabinowitz
»Wladimir Putin ist ein Heiliger«, sagt Andrej Altman. »Er hat Russland wieder stark gemacht.« Rund 20 junge Gemeindemitglieder treffen sich am Samstagabend nach dem Schabbat in einem Biergarten in Mönchengladbach, um Andrejs neue Anstellung zu feiern. Andrej ist 24, seit acht Jahren lebt er in Deutschland, gut drei davon war er arbeitslos, dann hat er einen Job als Maler gefunden.
Alle am Tisch kommen aus Russland und fühlen sich mit der Heimat so eng verbunden wie nie zuvor. Sie empfinden sich nicht mehr als Flüchtlinge aus einem dunklen, totalitären Land. Ihr Russland ist stark geworden. Moskau zählt zu den teuersten Städten der Welt. »Alle meine Bekannten kommen nach Deutschland, um neue Autos zu kaufen«, erzählt Vadim, 30. In seiner Heimatstadt Sankt Petersburg müsse man bis zu sechs Monate warten. »Die Deutschen haben kein Geld, deshalb ist es hier einfacher an das Wunschauto zu kommen.«
Der Konflikt zwischen Russland und Georgien interessiert dagegen eigentlich keinen von ihnen wirklich. Vadim sagt, dass man mit dem »russischen Bären keine Spielchen treiben« sollte. Die westliche Welt unterschätze Russlands Stärke. Und dem Bären zu drohen, bringe auch nichts. Es gebe russische Experten, die meinten, alle Sanktionen vonseiten der EU könnten sich auch in einen großen Vorteil für Russland verwandeln. Vergangene Woche kündigte Moskau neun amerikanischen Fleischkonzernen die Lieferverträge. »Genauso einfach können sie die Gasleitungen nach Deutschland abdrehen, wenn Europa sich nicht zurückhält«, schaltet sich Andrej Altman ein. Wie die anderen sieht er den Konflikt als notwendige Maßnahme, um die russische Bevölkerung in Georgien und den Regionen zu verteidigen.
Ein solcher Konflikt könne auch anderen Ländern drohen, in denen russische Menschen verfolgt oder unterdrückt würden. Ein Beispiel? »Estland und Lettland«, meint Altman. Er bezieht sich auf ein Interview mit einem finnischen Schriftsteller. Der habe die Ansicht vertreten, dass die Tage der beiden baltischen EU-Mitglieder gezählt seien und die Länder in spätestens zehn Jahren von der Weltkarte verschwunden sind. Russland werde nicht weiter tolerieren, dass seine Menschen als Bürger zweiter Klasse behandelt würden. Georgien sei nur der Anfang gewesen. »Die westliche Welt soll lieber ihre Hartz-IV- Patienten behandeln und keinen neuen kalten Krieg provozieren«, findet Boris Neuman, ein 29-Jähriger aus Düsseldorf. Präsi- dent Medwedjew habe bereits gesagt, dass Russland davor keine Angst hätte.
Das Bier fließt, jetzt wird gefeiert. Politische Probleme diskutieren will man hier nicht. Schon gar nicht den Konflikt mit Georgien. Die jungen jüdischen Einwanderer in Deutschland sind stolz auf ihre alte Heimat, die sie als Kontingentflüchtlinge verlassen haben. Sie haben ein neues Selbstbewusstsein und scherzen, dass die Deutschen noch dazu kommen werden, Russisch zu lernen. Noch ein Bier! Prost!