Kol Simcha“

Stimmen der Freude

von Johannes Boie

Chaim Rozwaski behielt vergangenen Samstagabend recht: »Singen kommt di-
rekt von der Seele« hatte der Rabbiner in seiner Ansprache behauptet. Wie sehr das stimmt, merken die zahlreichen Zuhörer in der Synagoge Pestalozzistraße direkt danach: Das Programm des 20-jährigen Jubiläums des Laienchores »Kol Simcha« macht dem Namen des Chors alle Ehre. »Stimme der Freude«, heißt der Begriff übersetzt und Stimmen der Freude waren es auch, die die Synagoge mit unterschiedlichsten Kompositionen zum Klingen brachten. Zehn Frauen und drei Männer stehen dabei im Mittelpunkt. Alle nicht mehr die Jüngsten, aber alle mit umso mehr Freude bei der Sache. Dem Gesang ist der Spaß der Sänger anzuhören. »Ganz toll«, freute sich zum Beispiel Gemeindemitglied Claudia Blau, 45, in der Pause, die mit ihrer kleinen Tochter Janina zum Konzert erschienen ist. Ob Janina je im Chor singen wird, steht nicht fest, die Mutter war dagegen selber früher dabei: »Aus beruflichen Gründen musste ich leider aufhören.«
Mit einer klugen Rede begrüßt Rabbiner Chaim Rozwaski die Gäste. Er er-
innert an den Kampf der Makkabäer und die Bedeutung des Chanukkafestes, ehe er den Laienchor für seine positive Rolle innerhalb der Gemeinde lobt: »Es ist uns verboten, Bilder zu machen. Aber nicht nur als Ausgleich gehört Gesang schon immer zu unserer Welt.« Der Rabbiner schätzt am Gesang den direkten Ausdruck: »Musik kommt von der Seele – die Menschen singen, wie sie fühlen.«
Für manche mag so viel Freude am Ge-
sang eine neue Erfahrung sein. Mindes-tens einer der Anwesenden hat aber schon vor Jahren gemerkt, dass Singen glücklich machen kann. Kantor Laszlo Pasztor – in-
zwischen pensioniert – war vier Jahre in Amsterdam und 13 Jahre lang in Göteborg als Kantor tätig, ehe er vor zwanzig Jahren nach Berlin kam. Und überall hat er Laienchöre gegründet. Er denkt nach, wenn man ihn fragt, warum. Dann setzt er zu einer wohlüberlegten Antwort an, aber am Ende sagt er doch nur: »Singen ist so schön.« Später fügt er hinzu, es ginge auch darum, die Lieder, die »die jüdische Welt bedeuten«, gemeinsam zu erhalten.
So sieht das auch Pasztors Kollege Jo-
chen Fahlenkamp. Der Kantor führt ebenso lehrreich wie humorvoll durch den Abend. Zur ewigen Konkurrenz von Weih-
nachten und Chanukka, die vielleicht auch deshalb erwähnt wird, weil interessierte nichtjüdische Zuhörer aus der Nachbarschaft der Synagoge zum Konzert gekommen sind, zitierte er den Dichter Erich Mühsam, und spricht von der »Christgeburt im Rindviehstall«. Die christlichen Zuhörer staunen, die Melodie von Händels »Tochter Zion« wiederzuerkennen und den Segen, der fast wortgleich in Kirchen gesprochen wird, zu neuer Melodie zu hören. Zum Lied »We Schamru« merkt Fahlenkamp an: »Wäre es heute entstanden, stünde es wochenlang in den Charts.« Aufgeführt wird auch eine Chanukka-
Kantate, die Hawdalah-Zeremonie läutet das Ende des Schabbats und den Wochenanfang ein, ehe feierlich die Lichter der Chanukkia entzündet werden.
Fahlenkamp, Pasztor und der Chor be-
geistern mit dem gesamten Repertoire. Nur ein Teil der Chorlieder ist kantoral gehalten. Schließlich will »Kol Simcha« keine Konkurrenz zu den Profisängern der Synagoge sein. Heidi Ruth Griesert, eine »Stimme der Freude« seit Chorgründung, erklärt, warum nicht alle Lieder im Chor-Repertoire aus der jüdischen Liturgie stammen: »Wir wollen auch für Einsteiger interessant sein.« Man muss keine Ge-
sangsausbildung haben, um bei »Kol Simcha« mitwirken zu können. Die größte Schwierigkeit sei es, den hebräischen Text zu beherrschen, sagt Griesert: »Das müssen wir erst mal lernen.«
Pasztor freut sich über das Engagement: »Der Chor nimmt sich selber ernst.« Übrigens: »Kol Simcha« sucht ständig weitere Mitglieder aller Altersklassen. Neben dem Spaß dürfte es noch einen weiteren Vorteil geben: »Singen hält jung«, antwortete Pasztor auf die Frage nach seiner Leidenschaft fürs Singen. Wer den jugendlichen 73-Jährigen trifft, ist geneigt, ihm recht zu geben.

In eigener Sache

Technische Probleme bei der Jüdischen Allgemeinen

Zurzeit können zahlreiche Fotos nicht angezeigt werden

 19.09.2024

Nahost

Hisbollah kündigt Vergeltung an

Zeitgleich explodieren im Libanon Hunderte Pager. Neun Menschen werden getötet

 17.09.2024

USA

Secret Service verhindert mutmaßliches Attentat auf Donald Trump

In der Nähe des Ex-Präsidenten fielen Schüsse. Die Polizei nahm einen Verdächtigen fest

 15.09.2024

Meinung

Wir Muslime dürfen nicht zum islamistischen Terror schweigen

Ein Kommentar von Eren Güvercin

von Eren Güvercin  15.09.2024

Islamismus

Syrer wegen Anschlagsplänen auf Bundeswehrsoldaten in U-Haft

Mit zwei Macheten möglichst viele Bundeswehrsoldaten während ihrer Mittagspause töten - das soll der Plan eines 27-Jährigen in Oberfranken gewesen sein. Doch vorher klicken die Handschellen

von Frederick Mersi  13.09.2024

Gazastreifen

Mehr als 550.000 Kinder haben erste Polio-Impfung bekommen

Die erste Runde der Impfkampagne scheint ein Erfolg gewesen zu sein

 12.09.2024

Bericht

Deutschland und die »Diskriminierungskrise«

Ihr Kollege Felix Klein fordert, die Diskriminierung von Israelis endlich ernsthaft zu bekämpfen

 11.09.2024

Münster

Oberverwaltungsgericht verhandelt über jüdisches Bethaus in Detmold

Hintergrund ist ein jahrelanger Streit um eine verfallende Synagoge aus dem 17. Jahrhundert

 11.09.2024

Berlin

Vorstellung des bundesweiten Berichts zu Diskriminierung

Neben Antidiskriminierungsbeauftragter Ataman auch Antisemitismusbeauftragter Klein anwesend

 10.09.2024