von Sue Fishkoff
Die Vorfahren von Miguel Segura Aguilo wurden vor fünf Jahrhunderten in Spanien als Juden hingerichtet, doch in der Synagoge seines Heimatorts ist er nicht willkommen. Gershom Sizomu, der der konservativen Richtung angehört und vergangenen Monat in Los Angeles zum Rabbiner ordiniert wurde, träumt davon, in seinem abajudajischen Dorf im Osten Ugandas die erste Jeschiwa für afrikanische Juden zu bauen.
Die beiden Männer und Dutzende weitere Vertreter abgelegener Gemeinden aus aller Welt kamen kürzlich in San Francisco zusammen. Gesponsert wurde das Treffen von Be’chol Lashon, einem Programm des Institute for Jewish and Community Research. Die Ibo, Lemba und Abajudaja aus Afrika, die Anusim und Xuetas Spaniens und Lateinamerikas, indische Juden aus New York und asiatisch-amerikanische Wahljuden verbrachten drei Tage mit Networking und dem Austausch von Informationen. Dabei konzentrierte sich das Interesse auf ihre Bemühungen, sich der globalen jüdischen Familie anzuschließen – die kaum Eifer an den Tag legt, sie ans Herz zu drücken.
»Die jüdische Gemeinschaft redet andauernd von Krisen, dem Problem der Mischehen und den schwindenden Mitgliederzahlen – dabei gibt es Menschen jüdischer Herkunft, spirituell Suchende, jüdische Gemeinden von historischer Bedeutung. Und die jüdische Gemeinschaft rührt keinen Finger, um ihnen zu helfen«, sagt der Präsident des Instituts, Gary Tobin, der sich seit Jahren für eine größere Aufgeschlossenheit gegenüber jüdischen Gruppen außerhalb des aschkenasischen Mainstreams ausspricht. »Die alten Stereotype, wie ›echte Juden‹ auszusehen haben, halten sich hartnäckig«, so Tobin. »Warum erweitern wir nicht unsere ideologischen Grenzen und nehmen all jene auf, die begierig sind, zu uns zu kommen?«
Einige dieser entlegenen Gemeinden haben eine formelle Konversion durchlaufen, etwa die 800 Mitglieder des Abajudaja-Gruppe in Uganda, die 2002 gemeinsam übertraten. Andere sind nicht offiziell konvertiert, wie die Lemba in Südafrika, die eine jüdische Herkunft behaupten und auf die jüdischen kulturellen Praktiken verweisen, die sie seit Jahrhunderten pflegen.
Andere bewegen sich noch immer in einer Grauzone, insbesondere die Anusim in Spanien, Portugal und Lateinamerika, bekannter unter dem Namen Conversos, deren Vorfahren unter der Inquisition zur Annahme des Katholizismus gezwungen wurden und die jetzt die Anerkennung ihrer jüdischen Identität fordern. Schätzungen ihrer Zahl reichen von zehntausenden bis zu über einer Million.
Eine Gruppe von Conversos aus Mallorca traf im vergangenen Jahr mit Jona Metzger, dem aschkenasischen Oberrabbiner Israels, zusammen, um zu erkunden, wie sie zum Judentum zurückkehren könnten. »Ich muss ein gesetzliches Instrument finden, um eure Position vor dem Rabbinat zu verteidigen«, habe Metzger gesagt, berichtet Aguilo, ein Journalist, der viel über die Xuetas schreibt und Vorträge hält. Die Xuetas sind Nachfahren derjenigen Conversos, die ihre Konversion widerriefen und kurz vor der Hinrichtung ihr Judentum wieder annahmen. Aguilo und seine Freunde warten noch auf eine Antwort von Metzger.
Einige Anusim beanspruchen als Nachfahren von Juden einen Sonderstatus für sich und beharren darauf, dass sie keiner formellen Konversion bedürfen. Eine Handvoll Rabbiner, die ihrem Anliegen aufgeschlossen gegenüberstehen, halten »Rückkehrzeremonien« für sie ab. Tausende an- dere sind bereit, sich einem formellen Übertritt zu unterziehen, berichtet Rabbiner Manny Vinas, der aus Kuba stammt und das El Centro de Estudios Judíos, ein spanischsprachiges Torazentrum in New York, leitet. Dort versucht man, die Anusim bei ihrer Rückkehr zum Judentum zu unterstützen. »Diese Menschen möchten zum Judentum heimfinden, und zwar erhobenen Hauptes.« Vinas vertritt die Auffassung, dass ein formeller Prozess den richtigen Rahmen für eine Konversion bietet.
Denjenigen, die Wert auf eine offizielle Anerkennung in Israel legen, machen die neuen Konversionsrichtlinien, die zwischen dem Oberrabbinat in Israel und dem Orthodox Rabbinical Council of America ausgearbeitet wurden, einen Strich durch die Rechnung: Denn es werden ausschließlich Übertritte der 15 orthodoxen rabbinischen Gerichte in Nordamerika anerkannt. Wer in Lateinamerika lebt, müsse zum Übertritt nach Nordamerika fahren, sagt Rabbi Vinas – »eine Praxis, die die Reichen begünstigt«.
Einige der Gemeinden im Netzwerk von Be’chol Lashon sind von diesen Zwistigkeiten weit entfernt. So befinden sich die südafrikanischen Lemba noch immer in dem Stadium, herauszufinden, wer sie sind.
Diane Tobin, die Leiterin von Be’chol Lashon, sagt, die Politik der Organisation ziele darauf ab, lokale Führungskräfte zu stärken. So hat Be’chol Lashon das Studium von Gershom Sizomu in Los Angeles finanziert. Er ist kürzlich als erster in Afrika geborener schwarzer Rabbiner nach Uganda zurückgekehrt. Sizomu fragt sich, welche Auswirkungen seine Rückkehr auf den religiösen Stil seiner Gruppe haben wird, da er selbst sich an die westlichen Normen und die Praktiken der Konservativen gewöhnt hat. Die Abajudaja benutzen Gebetbücher, erläutert er, die ihnen in den vergangenen zehn Jahren von konservativen Rabbinern gespendet wurden, »doch die Melodien sind afrikanisch«, so Sizomu.
Be’chol-Lashon-Chefin Tobin hofft, dass ihre Organisation noch mehr afrikanischen Juden das Rabbinerstudium finanzieren kann. »Wir arbeiten mit jedem, der einen Schritt nach vorn machen will, um Teil der jüdischen Gemeinschaft zu werden.«